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Germanoslavica
Peter Härtling. Germanoslavica
Zeitschrift für germano-slawische Studien. Heft 2/2012 (23. Jahrgang)

Nach dem Mühlberger–Heft von 2009 erscheint nun eine weitere monothematische Ausgabe der Germanioslavica, dem aus Chemnitz stammenden, in Mörfelden lebenden Peter Härtling gewidmet. Sowohl für polythematische Hefte als auch für solche, die das Schaffen nur eines Autors beleuchten, lassen sich Argumente finden. Wenn die Redaktion sich für ein „Sowohl-als-Auch“ bei Präferenz der „bunten“ Hefte entscheidet, ist das sicherlich ein vernünftiger Kompromiss. Die acht Aufsätze sind aus Vorträgen eines internationalen Symposiums in Göteborg 2011 entstanden, das die dortige Universität und das Slawische Institut der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik gemeinsam ausgerichtet haben. Sie berühren unterschiedliche, bei weitem aber nicht alle Aspekte von Härtlings Œuvre.

Wer einmal gestorben ist
‚Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh‘.
Eine Überlebensgeschichte

Wieder einmal hat der Autor auf seine Bestimmung reagiert und in einem zweiwöchigen Interview Antwort gegeben auf Erlebnisse in Österreich und Konzentrationslagern, so wie er auf seine damalige Bestimmung reagiert hatte, nur mehr eine „erniedrigende Haft und nicht lange überleben“ (123) zu sollen. Das erzählte Ergebnis macht die exorbitante Stärke von Schwächen, vor allem jene nicht nein sagen zu können (etwa Verlockungen von Frauen und Moden, gleichfalls bei Hilfeersuchen anderer; Feingold wurde der Vorsitzende der Isrealitischen Kultusgemeinschaft Salzburgs) offenkundig, gegenüber einer Herrschaft die ja zu sagen verstand nur in vernichtender Verneinung: Auf Feingold wirkte die permanente Existenzbedrohung als Elixier zu überleben.

Mein liebes Ilsekind
«Mein liebes Ilsekind» Mit dem Kindertransport nach Schweden — Briefe an eine gerettete Tochter.

„Hier will ich Dir nur hauptsächlich das schreiben, was ich Dir sonst nicht schreiben kann“ (S. 120) — so Gertrud Reifeisen in einem ihrer Briefe an ihre Tochter Ilse, die im Dezember 1939 im Alter von 13 Jahren mit einem Kindertransport nach Schweden emigriert. Und tatsächlich spielt das Schreiben in der von Elisabeth Cosanne-Schulte-Huxel editierten Ausgabe eine zentrale Rolle: nicht nur als Versuch, der geographischen Distanz ein Stück Intimität entgegenzusetzen und das Trauma der Trennung erzählerisch zu verarbeiten. Gleichzeitig sind die Briefe auch ein wichtiges Zeugnis des wachsenden Antisemitismus im NS-Regime, in dem das Schicksal der Familie Reifeisen stellvertretend für das vieler Verfolgter und Ermordeter steht.

Das Leichenhaus der Buecher
„Das Leichenhaus der Bücher“. Kulturrestitution und jüdisches Geschichtsdenken nach 1945
Schriften des Simon-Dubnow-Instituts Band 19. Hg. von Dan Diner.

Das Thema Raubgut und Restitution der durch die Nationalsozialisten verschleppten jüdischen Kulturgüter hat durch den medial vielbeachteten Fall ‚Gurlitt’ in den letzten Monaten neue Aktualität erhalten. An diesem – in der Wohnung Cornelius Gurlitts wurde eine große Sammlung sogenannter Raubkunst gefunden – wird auch deutlich, wie weit dieses Angelegenheit noch bis in die Gegenwart reicht und wie komplex die damit verbundenen Rechtsfragen sind.

Erste Restitutionsbemühungen von geraubten Büchern und kulturellen Gegenständen begannen bereits während des Krieges und in großem Umfang unmittelbar nach Kriegsende. (...)

Wie der gordische Knoten geloest wurde
Wie der gordische Knoten gelöst wurde
Anekdoten der Weltgeschichte historisch erklärt

Der sperrige Untertitel, der dem Buch mehr fachliche Schwere beschert, als in ihm zu finden ist, steht im völligen Gegensatz zur literarischen Leichtigkeit, die mit viel Sachkompetenz in diesem Buch kombiniert worden ist. 27 pointierte Aussagen, schriftliche Überlieferungen oder auch Bilder bilden jeweils den Kern erläuternder Geschichten um die scherzhaft gemeinten oder gemachten Überlieferungen bedeutender Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Dieser Essaysammlung hat der Herausgeber Matthias Steinbach ein kurze, prägnante Einführung über Anekdoten, ihre Zielsetzung und ihre Wirkung vorangestellt. Explizit stellt er hier vorliegende Textsammlung verschiedener Autoren in die Tradition Stefan Zweigs, der in seinen "Sternstunden der Menschheit" epochale Ereignisse auf ein Datum, gar auf eine einzige Stunde reduzierte. Steinbach ersetzt die zeitliche Ebene Zweigs durch historische Pointen. (...)

Das Forum Romanum
Das Forum Romanum. Spiegel der Stadtgeschichte des antiken Rom.

Die meisten Besucher werden verwirrt sein, wenn sie heute das römische Forum zum ersten Mal besuchen. Es ist einer der Orte, an dem sich antike Geschichte konzentriert und deren Zeugnisse unmittelbar in die Gegenwart hineinreichen. Der Anfang römischer Stadtgeschichte ist an diesem Ort ebenso gut belegt wie deren Ende, ein Zeitfenster also, das das 10. Jahrhundert v. Chr. und das 7. Jahrhundert n. Chr. umfasst. Die Ebene zwischen den Hügeln – Kapitol im Westen, Palatin und Velia um Süden, Quirinal und Viminal im Norden – misst heute von West nach Ost im Kernbereich an die 1000 Meter, auf der sich an die 50 Baureste von Tempeln, Basiliken, Portiken und Bögen drängen. Unverbunden stehen sie neben-, über und untereinander, entsprechend ihrer Erbauungszeit mal höher, mal tiefer im Boden erhalten. (...)

Wuesten natuerlicher und kultureller Wandel
Wüsten – natürlicher und kultureller Wandel in Raum und Zeit.
Leopoldina-Meeting. Veranstaltet von der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Erd- und Völkerkunde zu Stuttgart e. V. am 2. und 3. Mai 2008 in Stuttgart.

Wüsten sind in der heutigen Moderne ein vielfach gebrauchtes Synonym für Lebensfeindlichkeit und Tod. Der koptische Mönch etwa verlässt den religiösen Texten zufolge die Sicherheit des fruchtbaren Nilstreifens Ägyptens, der ihm Nahrung und kulturellen Zusammenhalt garantiert, und er liefert sich in der angrenzenden Sandwüste der Wohlfahrt durch Gott aus. Ebenso lebensbedrohlich ist der Auszug der Israeliten aus Ägypten (Gen 15,22-26), die in der Wüste Schur drei Tage lang kein Trinkwasser finden können. (...)

Jesus von Nazaret. Eine Ortsbegehung
Jesus von Nazareth
Eine Ortsbegehung

Mit diesem Werk legt die Autorin einen interessanten Versuch vor: Einerseits finden sich – zumindest andeutungsweise – einschränkende oder relativierende Aussagen dahingehend, dass es nicht entscheidend ist, genau jene Plätze zu kennen, an denen sich Jesus aufgehalten hat. Andererseits sollen genau jene Plätze Gegenstand der zumeist erstklassigen Fotos sein. Und so ist es nicht erstaunlich, dass sich Vfin des Öfteren zu spekulativen Behauptungen versteigt, wie etwa zu der Aussage, es werde „wohl zu Recht vermutet, dass der ‚Zimmermann’ Josef und sein Sohn Jesus dort [in Sephoris] Aufträge erhielten“. (16) Zuvor (13) wird Jesus bereits eine Tätigkeit in Tiberias unterstellt. Noch etwas kühner erscheint die legendarische Überlieferung, Maria habe am Tempelvorhang gearbeitet: „Wir erinnern uns: Die junge Ehefrau Maria war alleine zu Hause und spann Purpur für die Vorhänge des Jerusalemer Tempels. Als sie zum Brunnen ging, um Wasser zu holen, sprach der Engel sie an. (...)

Die Kunst vom Wahn- und Wahrsagen
Die Kunst vom Wahn- und Wahrsagen: Orakelheiligtümer in der antiken Welt.

Wiebke Frieses Buch „Die Kunst vom Wahn- und Wahrsagen. Orakelheiligtümer in der antiken Welt“ verspricht bereits im Untertitel einen recht großräumigen Blick auf die Divination und die dazugehörigen Tempel in der Antike. So beginnt Friese nach einem kurzen systematischen Überblick mit der Beschreibung des mesopotamischen, anatolischen, palästinensischen und zuletzt ägyptischen Orakelwesens. Doch bereits der Umstand, dass jene Kulturräume zusammen auf nur zehn von insgesamt 146 Seiten abgehandelt werden, zeigt, dass sie lediglich als Alibi für den Untertitel (… in der antiken Welt) sowie als Rahmenbedingung für die darauffolgende griechische und römische Kultur dienen. Bereits hier offenbart sich also die erste Einschränkung des Werkes: eigentlicher Untersuchungsgegenstand sind lediglich das antike Griechenland und Rom. Diese jedoch werden überaus sorgsam und gut strukturiert dargeboten. (...)

Tod und Jenseits in der Schriftkultur der Fruehen Neuzeit
Tod und Jenseits in der Schriftkultur der Frühen Neuzeit

Wohin kommen wir nach dem Tod? Eine verbindliche, einheitliche Antwort wird niemand erwarten wollen – wieso aber gibt es eine Vielzahl verschiedener Ansätze in einem einheitlichen Kulturkreis? Einer ersten Vermutung nach würde eine Antwort wahrscheinlich lauten, jede Konfession habe ihre eigene Vorstellung von Jenseits. Eine weitere These würde vermutlich aussagen, jede Zeit habe ihre eigene Idee vom nachtodlichen Leben. Und ein dritter Punkt würde anführen, jede soziale Schicht habe ihre eigenen Himmel, der sie im Tod aufnimmt. (...)