Israel
Eine Korrespondenz

Vorliegendes Bändchen gibt den Schriftwechsel per E-Mail zwischen einem Muslim und einem Juden wieder, den sie bereits im Frühjahr 2002 führten. Es handelt sich hierbei um den iranischen Orientalisten Navid Kermani und den israelischen Soziologen Natan Sznaider, die sich aufgrund gemeinsamer Arbeit für unterschiedliche deutsche Zeitungen kennen und schätzen lernten. Auslöser für den Meinungsaustausch war der Verlauf der Zweiten Intifada, die ab Herbst 2000 mit palästinensischen Terroranschlägen und militärischen Gegenmaßnahmen Israels die politische und militärische Sicherheitslage im Nahen Osten nachhaltig destabilisierte.

Nach kurzer Einleitung beider Autoren (S. 7-13) wird der Inhalt von insgesamt 26 erhalten gebliebenen E-Mails aus dem Zeitraum 17. Februar bis 22. Mai 2002 in der damals gesendeten Reihenfolge wiedergegeben. Der Umgangston ist freundlich. Dennoch treffen hier unterschiedliche Sichtweisen hart aufeinander, die die palästinensischen Selbstmordanschläge und die Methoden israelischer Abwehraktionen sehr verschieden kontextualisieren.

Kermani ist überzeugt, „dass Israel das Verlangen der Palästinenser, sie ins Meer zu treiben, braucht, um die Besatzung als Selbstverteidigung legitimieren zu können“ (S. 18), worauf Sznaider fragt: „Wie kann denn so ein Palästina innerhalb von Gaza und Westbank mit Israel dazwischen wirklich funktionieren? [...] Da muss ja fast schon automatisch das Begehren bei den Palästinensern frei werden, dann doch lieber alles haben zu wollen“ (S. 22).

Israels Bemühungen, Einwanderung ins gelobte Land für Diaspora-Juden zu erleichtern und gleichzeitig die Besetzung palästinensischen Bodens zum endlosen Alptraum aller Palästinenser werden zu lassen, bleiben für Kermani widersprüchlich und grotesk, da „ein Russe, dessen Urgroßmutter väterlicherseits womöglich jüdisch gewesen sein könnte, eher in Haifa leben kann als ein palästinensischer Greis, der 48 aus seinem Haus vertrieben wurde“ (S. 24).

Ist Israel noch Zankapfel zwischen Kermani, der in Deutschland lebt, und Sznaider, der aus Israel schreibt, kann das Thema Deutschland beide Kontrahenten auch wieder einen, wenn es gilt, sich unter dem Rubrum eines deutschen Antisemitismus auszutauschen. Sznaider trifft schon zur Jahrtausendwende in Berlin auf Gesprächspartner, die eine „Mischung aus selbstgerechter 'Wir wissen Bescheid'-Attitüde und Antisemitismus“ aufbringen, aber: „rührend sind sie ja schon, die deutschen Gutmenschen. Und auch wirklich nett in ihrer Solidarität mit den Verdammten dieser Erde. Nur Ahnung haben sie keine“ (S. 28). Jene Gutmenschen sind es auch, die aus Sicht Kermanis dafür sorgen, dass „wirklich jede Kritik an Scharon und der israelischen Besatzung [...] als Antisemitismus heruntergebügelt“ wird (S. 29) und Palästinenser andererseits als „indoktrinierte Fanatiker, Kampfmaschinen und die eigentliche Gefahr für den Weltfrieden“ (S. 30) angesehen werden.

Beide Autoren erweisen sich als wortmächtig, Dissens wird hier mehr zelebriert als gepflegt. Die E-Mails zwischen Kermani und Sznaider, die „Mitglieder einer Minderheit in einer deutschen Mehrheitsgesellschaft“ sind (S. 8), lesen sich phasenweise wie der diplomatische Notenaustausch zwischen Staaten, der sich nicht selten durch emotionale Emphase und bittere Anklagen auszeichnet, die beim damals 34-jährigen Kermani häufiger als beim 13 Jahre älteren Sznaider durchschlagen. Das sehr lesenswerte kleine Buch hält sein Versprechen, einen Briefwechsel wiederzugeben, „der die Gegenwart vielleicht ein wenig besser zu verstehen hilft“ (S. 9).