Beten bei Nebel
Hat der Glaube eine Zukunft?

Der Abriss der Pfarrkirche St. Lambertus im rheinischen Erkelenz-Immerath war zwar dem geplanten Braunkohletagebau in der Region geschuldet, mag aber dennoch für Herausgeber Volker Resing als metaphorischer Ausdruck für das „Verschwinden der christlich-kirchlichen Dominanz“ in Deutschland dienen. Die Verflüchtigung christlich-religiösen Lebens ist in vorliegendem Buch Anlass, „zwei besondere Denker unserer Zeit zu einem Gespräch zu bitten“ (S. 9).

Beten bei Nebel ist das Gespräch, das bereits Anfang 2015 zwischen dem Soziologen Hans Joas und dem Philosophen Robert Spaemann – fast eine Generation älter als Joas – geführt wurde und sich in vier thematische Blöcke aufteilt. Fragen und Gesprächsleitung übernimmt ein anonymer Moderator. Ein Streit kommt nicht auf, wohl aber wechselseitiges Widersprechen, besonders in den Teilen „Glaube und Glaubensverlust“ (S. 25-42) und „Die Kirche zwischen Anpassung und Beliebigkeit“ (S. 43-50).

Die Bewertung der lebenden Päpste (S. 51-69) erfolgt wohlwollend milde, spart Kritik jedoch nicht aus. Franziskus, der „so viele Personen aus dem Vatikan wirft, die von Benedikt geholt worden sind“ (S. 52), wird gleichsam kritisch beleuchtet wie der eurozentrische Führungsstil des Ratzinger-Papstes, dessen Pontifikat „etwas zunehmend Irreales angenommen“ hatte (S. 54).

Die Profile Joas und Spaemann machen den Band lesenswert: Spaemann, der Wortführern der 68er einst zurief, es wäre ihm lieber „ihr würdet heute Abend erschossen“ (S. 49), spricht melancholisch-resigniert viel über Glaubensverlust – Joas, stets zum Widerspruch neigend, unter anderem über die kirchliche „Haltung zur nationalen Frage, zur sozialen Frage und zur demokratischen Frage“ (S. 31). Der abschließende Teil „Über das Verhältnis von Norm und Wirklichkeit“ (S. 70-79) setzt das vorangehende Gespräch thematisch leider nicht sinnvoll fort.

Vorliegendes Bändchen mit reichlich langer Einführung des Herausgebers liest sich als Vermächtnis Spaemanns, der wenige Monate nach Veröffentlichung des Buches verstarb.