hessenArchäologie 2001
Zusammengestellt von Egon Schallmayer

Wissenschaftliche Resumées erster Güte

Neue Besen kehren gut, so mag despektierlich der denken, der hört, daß mit Einführung des neuen hessischen Landesarchäologen eine Neustrukturierung der Denkmalpflege einhergeht und ein Desiderat erfüllt worden ist, nämlich ein Jahresbericht zur Archäologie und Paläontologie in Hessen.

Fritz-Rudolf Herrmann, der bis Ende September 2001 über ein Vierteljahrhundert hinweg der hessischen Denkmalpflege vorstand (s. Archäologie in Hessen. Neue Funde und Befunde. Festschrift für Fritz-Rudolf Herrmann zum 65. Geburtstag. Internationale Archäologie, Studia honoraria 13, Rahden/Westf. 2001), täte man Unrecht, würde seine vorbildhafte Arbeit und sein Geschick, verschiedene Ämter, Gesellschaften und andere Interessensgruppen zu einen, gering geschätzt. Neustrukturierung und der Wunsch nach verstärkter Öffentlichkeitsarbeit sind bedingt durch die Notlage der staatlichen Haushalte, die nun auch von der Denkmalpflege fordert, sich ihr eigenes Geld wenigstens teilweise zu erwirtschaften.

Herrmanns Nachfolger im Amt Egon Schallmayer ist unter den gegebenen Umständen eine gute Wahl: Als Museumsdirektor der Saalburg weiß er um die Notwendigkeit, eine interessierte Öffentlichkeit für Hessens Archäologie zu schaffen, und kennt Mittel hierfür. Die Forschungsergebnisse seines Hauses liegen jetzt in einer vorbildlich gestalteten Publikation des Theiss-Verlages vor, der auch die archäologischen Jahrbücher für Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Brandenburg sowie das Rheinland verlegt (vgl. demnächst WLA 43,1).

Paläontologie und Paläolithikum sind im anzuzeigenden Band nur kurz angeschnitten, die Jungsteinzeit sowie Bronze- und Eisenzeit mit vor allem aktuellen Grabungsergebnissen begegnen dem Leser in gut einem Dutzend Beiträge. Einen Großteil des Jahresberichts füllen Artikel zur provinzialrömischen Archäologie, besonders zur Limes- und Militärforschung gleichwie zu Einzelobjekten, etwa der Jupitersäule aus Nida-Heddernheim oder der bronzenen Wasseruhr im Archäologischen Museum Frankfurt a.M. Das frühe bis späte Mittelalter ist anhand von Funden aus Butzbach, Eschwege, Fulda, Marburg und z.B. dem Christenberg dokumentiert. Neuzeitliche Archäologie beschränkt sich auf Frankfurt und die Außenstelle KZ Natzweiler-Struthof in Walldorf bei Mörfelden. Zwei Beiträge zur Arbeitsmethodik und ein Ausstellungsbericht schließen hessenArchäologie 2001 ab.

Die von insgesamt 60 Autoren verfaßten Artikel des Jahrbuches sind sowohl inhaltlich als auch stilistisch sehr heterogen. Viele Beiträge erscheinen wie wissenschaftliche abstracts mit zahlreichen technischen Details – sie setzen beim Leser erhebliche Fachkenntnisse voraus –, andere nähern sich ihrem Forschungsgegenstand eher kulturhistorisch und bilden weniger Einzelbetrachtungen ab. Selbstironische Titel („Schon wieder römische Lager“, S. 72) und oftmals „Erlebnisberichte“ (z.B. S. 50ff., 124f.) wechseln mit eher faktenorientierten Zusammenfassungen (z.B. S. 67f.). In der Regel ist den durchschnittlich drei Seiten langen Darstellungen ein (mehr oder weniger ausführlich) weiterführendes Literaturverzeichnis nachgestellt. Die Zusammenstellung aller archäologischen Aktivitäten in Hessen ist in dieser Form sehr zu begrüßen, dokumentiert sie den Wert, archäologische Zeugnisse zu sichern und zu schützen.

2002 ist erstmals das „Hessen-Buch des Jahres“ von unabhängigen Juroren gekürt worden. Die Wahl hat der Katalogband Das Rätsel der Kelten vom Glauberg für sich entscheiden können, der nicht nur als Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung, sondern vor allem wegen seiner vorbildlichen Aufbereitung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zu gefallen weiß. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Kelten ist am Fund der rundfigurlichen Statue (vgl. Abb.) der Jahre 1994/5 in der Wetterau aufgehangen.

Mikro- wie makrokosmische Untersuchungen (Pollenuntersuchungen in der östlichen Wetterau; Jenseitsvorstellungen und Bestattungsbrauchtum) haben in der Maßstäbe setzenden, handbuchartigen Zusammenstellung zu Glaube-Mythos-Wirklichkeit der keltischen Welt Platz gefunden – eine erfreulich vielschichtige, umfassende Darstellung.

Beide Bücher sind nicht nur wärmstens zur Anschaffung empfohlen, sie sind Dank der günstigen Kaufpreise für den Interessenten ein unabdingbares Muß.