Antike Mythen und ihre Rezeption
Ein Lexikon.

Antike Mythen haben in europäischer Literatur, bildender Kunst, aber auch in kommerzieller Werbung ihren festen Platz. Boccaccio, Lessing, Goethe, Schiller oder Heine sind nur eine kleine Auswahl prominenter Schriftsteller, die die Antike auf sich haben wirken lassen und ihr selbst im Gegenzug eine Nachwirkung in moderneren Zeiten gegeben haben. Politisch etwa ist die Erzählung um Europa aufgegriffen und zeitgeschichtlich aktualisiert immer wieder umgeschrieben worden. Das damit verbundene Frauenbild erhält eine große Ambivalenz: Es reicht von geraubter Jungfrau bis zum Männer verschlingenden Vamp, sodass fast alle Klischees erfüllt werden. Das Schicksal der Entführten wird übertragen auf den kriegserschütterten, gleichnamigen Kontinent, den Mac Beckmann als gemarterte Legende auf dem Rücken des davoneilenden Stiers künstlerisch als Gefangenen interpretiert hat.

Insgesamt haben 34 Lemmata Aufnahme in das Nachschlagewerk gefunden. Die Stichworteinträge fassen den Mythos um die Eingetragenen kurz zusammen, verweisen auf antike Umarbeitung, zeichnen den Weg der Erzählung in die Neuzeit nach und listen die wichtigsten Bearbeitungen auf. Z. B. wird der Besitzer eines VW Phoebus feststellen, dass sein Auto eigentlich ein Apoll ist und im Jahr 2000 vom Rapper Torch ein Ständchen komponiert bekommen hat. Oder dass das Echo eigentlich eine von Pan begehrte Nymphe ist, die aufgrund ihrer vollendeten Rhetorik Juno missfiel und in der Folge von der Göttin gestraft wurde, nur noch mit den letzten, bereits gesprochenen Worten weiterreden zu dürfen.

Alle Beiträge im anzuzeigenden Band sind gut recherchiert und bilden sowohl den Mythos wie seine Rezeption für alle Belange hinreichend ab. Verschiedene Überlieferungsvarianten eines Mythos bei unterschiedlichen Autoren sind differenziert dargestellt und ihre Rezeption getrennt abgehandelt. Der Schwerpunkt der einzelnen Mythen orientiert sich an ihrer anschließenden Wirkungsgeschichte. Dadurch gelingt es den Autoren des Bandes erfolgreich, eine Brücke vom antiken Mythos in die Gegenwart zu schlagen.