Ägypten, Orient und die Schweizer Moderne
Die Sammlung Rudolf Schmidt (1900-1970)

Zur Ausstellung 'Ägypten, Orient und die Schweizer Moderne', die vom März bis Juli 2011 in Basel zu sehen war, ist ein reich bebilderter Katalog erschienen, der verschiedene Beiträge namhafter Autoren zu Rudolf Schmidt, seiner archäologischen Sammlung, zum antiken Orient im Allgemeinen und zur 'Schweizer Moderne' in sich vereinigt.
Anlass zu Ausstellung und Katalog ist der 40. Todestag des Sammlers Schmidt, dessen umfangreiche Kollektion von Werken alter Kulturen und Gemälden weltbekannt ist (vgl. S. 7). Teile des antiken Bestands waren, wie die altägyptischen Steingefäße, bereits 1988 oder, wie die altorientalischen Stempel- und Rollsiegel, 1991 bzw. 2004 publiziert worden. Inzwischen auf verschiedene Museen und Sammlungen verteilt, wurden sie in Basel wieder zusammengetragen. Neben den Objekten widmet sich der Katalog auch der Persönlichkeit des Sammlers und seiner Familie.

Mütterlicherseits aus der bekannten Solothurner Industriellenfamilie Müller kommend, mit der er zeitlebens engste private wie geschäftliche Kontakte pflegte, orientierte er sich bereits früh an der Sammel- und Kulturleidenschaft seiner 1920 verstorbenen Mutter. Seine Wohnung im Cartierhof nahe der Altstadt Solothurns sollte Aufbewahrungsort verschiedener 'geliebter Objekte' (S. 25) werden, die 'altägyptische Steingefäße, altorientalische Rollsiegel, Bronzefiguren aus Luristan und griechisch-römische Skulpturen' ebenso wie Werke von Ferdinand Hodler, Giovanni Giacometti, Cuno Amiet und anderer (vgl. S. 7) umfasste. Viele der modernen Schweizer Künstler waren ihm privat bekannt, und seine bedeutende Sammlung ließ immer wieder Kunsttheoretiker, Schriftsteller und andere Intellektuelle wie z.B. Johannes Itten, Gotthard Jedlicka, Oskar Kokoschka oder Arnold Kübler in sein Heim kommen. Kenner antiker Kunst wie Reinhard Lullies oder Bernard von Bothmer finden sich in den Gästebucheintragungen oder im späteren Briefverkehr. Diese Korrespondenzen sind neben den Objekten und deren Katalogisierung wissenschaftlich betrachtet der bedeutendste Nachlass Schmidts, der am 4. Oktober 1970 verstarb.
Dank seiner sehr detaillierten Ankaufsjournale ist noch heute der Erwerb aller seiner Sammelobjekte nachvollziehbar; sie dokumentieren sein steigendes Interesse von der Schweizer modernen Kunst kommend hin zu archäologischen Objekten der Mittelmeerwelt sowie des Nahen und des Mittleren Ostens. Vier große Sammelschwerpunkte sind hierbei auszumachen: erstens Luristan-Bronzen, hier Idole in Form von Standartenaufsätzen des Motivs 'Herr der Tiere', die er noch zu Lebzeiten dem Museum Rietberg in Zürich schenkte; zweitens mesopotamische Roll- und Stempelsiegel, von denen zahlreiche mit Unterstützung Elie Borowskis angekauft bzw. veröffentlicht wurden und sich heute im BIBEL+ORIENT Museum befinden; drittens Steingefäße, davon rund 200 aus dem alten Ägypten, die um prädynastische Schminkpaletten und pharaonische Plastik ergänzt wurden; viertens griechische, römische und etruskische Antiken, die hauptsächlich nach dem Zweiten Weltkrieg zusammengetragen wurden, aber weniger homogen als die übrigen Objektschwerpunkte zusammengestellt sind. Die Kunstsammlung 'Schweizer Moderne' speist sich zu großen Teilen aus dem Nachlass seiner Mutter Emma Schmidt-Müller und Erwerbungen, die er in seiner ersten Lebenshälfte getätigt hatte. Zahlreiche Fotografien aus dem Privatbesitz Schmidts veranschaulichen die Informationen aus den Kapiteln zum Familien- und Sammlungshintergrund.
Die Artefakte sind querschnittsartig im zweiten Teil des Bandes vorgestellt: Die Aegyptiaca nehmen mit 30 Seiten Umfang den meisten Raum ein, jedoch nur, da die moderne Malerei nach Künstlern aufgeteilt worden ist. Eingestreut sind Essays zu altorientalischen Roll- und Stempelsiegeln, der Bronzekunst aus Luristan und den Antiken des Mittelmeerraums. Die altägyptischen Gegenstände sind in der Hauptsache Gefäße (an die 200 Objekte umfasste die Sammlung ursprünglich, eine Auswahl mit den Katalognummern 1 bis 21 ist aufgenommen), daneben finden sich einige Kleinobjekte und Fragmente (Katalognummern 22 bis 25 sowie Abbildungen 45 und 50) zuzüglich moderner Nachahmungen pharaonischer Kunst (Abbildungen 46 bis 49). André Wiese führt hierzu den Leser kurz zusammenfassend in die Kunstentwicklung der altägyptisch-dynastischen Zeit ein und verknüpft dies geschickt mit einem kulturgeschichtlichen Abriss. Zu der Verwendung und dem Gebrauch der altorientalischen Siegel gibt Hildi Keel-Leu ' Verfasserin der Erstpublikation der Objekte in der Reihe 'Orbis Biblicus et Orientalis' (Band 200) ' einen leicht verständlich verfassten Überblick der Zeit von 3500 bis 330 v. Chr. Persische Kunst handelt Andrea Bignasca im Rahmen der Bronzen aus Luristan ab. Neben einer forschungs- und kulturgeschichtlichen Zusammenfassung geht der Text vor allem auf die Verwendung und den möglichen Bedeutungsgehalt der Luristanbronzen ein. Eine typologische Aufstellung komplettiert diesen Beitrag. Die klassische Antike ist mit nur fünf Objekten im Katalogteil vertreten. Ella van der Meijden Zanoni orientiert sich in ihrem Artikel stark an den vorzustellenden Altertümern, weshalb ihre Darstellung der Kunst sehr eng gefasst ist, diese Bereiche aber detailliert abgehandelt werden. Dieser Text ist teilweise umgangssprachlich geprägt ('wie man oder frau sich zu verhalten hatte', 'seinen Körper ' in Schwung zu halten hatte', S. 155) und irritiert mit einigen dort formulierten Interpretationen ('dass die ägyptisch schreitende männliche Figur die griechischen Bildhauer zur Kreation des Kouros inspirierte', S. 154 f.; die ptolemäischen Ringergruppen in den Kontext des 'Erschlagens der Feinde' durch den Pharao zu setzen), denen sich der Rezensent in der dort so wiedergegeben Form nicht anschließen mag. Die modernen Schweizer Maler sind in ihren kunsthistorischen Kontext gesetzt und die Bildmotive in ihrer Bedeutung für Schmidt und seine Sammlung interpretiert.

Die Abbildungen sind durchweg qualitätvoll und bei räumlichen Artefakten kontrastreich. Allerdings ist der Fotonachweis für den zweiten Teil fehlerhaft, da von 69 Katalognummern ausgegangen wird, jedoch nur 60 abgedruckt wurden. Anscheinend sind Rainer Wolfsberger als Fotograf der Objekte des Museums Rietberg Zürich neun Aufnahmen zuviel zugeschrieben worden.

' Ägypten, Orient und die Schweizer Moderne' ist ein anregender, sehr übersichtlich gestalteter und höchst informativer Katalog, der einen bedeutenden Schweizer Sammlernachlass mit herausragenden Objekten in einer höchst angemessenen Form präsentiert.