Der Tod gehört mir
Die Vielfalt der heutigen Bestattungskultur und ihre Ursprünge

Der Tod eines einem nahestehenden Menschen gerät für die Vielzahl der Hinterbliebenen zu einem einschneidenden Erlebnis. Oftmals ist mit der Ausrichtung des Begräbnisses nicht nur die Erinnerung an den Verstorbenen verbunden, sondern die Bestattung erfüllt darüber hinaus den Zweck einer ersten Aufarbeitung des entstandenen Verlustes. Nur selten kommt es vor, dass der Tote soweit für die eigene Beisetzung selbst vorgesorgt hat, dass die Angehörigen hiervon entlastet oder aber ausgeschlossen sind. Denn die vorab gefällten Entscheidungen decken meistens eher die Fragen nach einer möglichen Organentnahme oder die Wahl zwischen Feuer- oder Erdbestattung ab. Generell ist jedoch festzuhalten, dass in den zunehmend säkularen Kulturen Europas „das“ Begräbnis in einer allgemein verbindlichen Form immer weniger die Regel darstellt: „In der öffentlichen Präsentation der neuen Vielfalt in der Bestattung scheinen die als innovativ gepriesenen Ideen nur so vom Himmel zu fallen“, wie Barbara Happe in der Einleitung ihrer Veröffentlichung Der Tod gehört mir (S. 12) feststellt. Diese verschiedenen Praktiken stellt sie beispielhaft in acht Hauptkapiteln ausführlich und reich bebildert dar.

Der Anfang ihrer Betrachtung widmet sich den Unterschieden paganer sowie christlicher Bestattungskultur und leitet in die Bezeichnungen der Begräbnisorte über (S. 18-31). Die mit der Reformation einhergehenden Folgen für das Grab sind Thema des nachfolgenden Abschnitts (S. 34-57), der den Bogen über das 18. Jahrhundert hinweg bis in die Gegenwart schlägt. Mit der Schaffung außerstädtischer Friedhöfe wurde das Grab für „jedermann“ möglich, dem ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung standen, wie Happe in ihrem dritten Teil (S. 60-72) ausführlich schildert. Wichtig ist ihr dabei, einen Blick auf die heutige Friedhofsarchitektur und die dazu gehörigen Aussageinhalte zu richten, die „Abschied, Trauer und Erinnerung“ als neue Formen der Spiritualität aufgreifen (S. 62). In einer Art Exkurs nimmt sie den Konflikt um die Feuerbestattung in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf, in dem eine zunehmende Akzeptanz auch seitens der anfänglich ablehnend dazustehenden katholischen Kirche auszumachen ist (vgl. S. 76-95). Die hier begonnene Diskussion leitet unmittelbar zur Frage der zeichenlosen oder anonymen Bestattung über (S. 98-119); eingeschlossen sind hierbei Betrachtungen zum Gemeinschaftsgrab bzw. den Gemeinschaftsfeldern. Eine jüngere Entwicklung kennt Urnenkirchen, die den Toten zurück in den Kultraum versetzen (S. 122-133). Ihnen entgegen stehen die Friedwälder, die mit teilweise kompostierbaren Urnen ein Vergehen der Asche des Toten und ein Eingehen in den Kreislauf der Natur sichern (S. 136-153). In einem abschließenden Blick fokussiert sich Happe auf die ortslose Bestattung: Erinnerungsdiamant, Verstreuung der Asche und Seegrab sind die hierzugehörigen Stichwörter (S. 156-167). Neben Exklusivität werden diese Formen der (nicht vorhandenen) Grablege zu „Zeichen von Natürlichkeit“ erklärt, „um Ruhe zu finden und in Ruhe gelassen zu werden“ (S. 166).

Geografisch sind ihre Betrachtungen auf Deutschland und die Schweiz beschränkt, dies erscheint im Hinblick auf die von ihr eingebrachten historischen Rückgriffe nachvollziehbar. Vergeblich sucht man Bestattungsrituale anderer als christlicher Konfessionen wie etwa jüdische oder muslimische Praktiken, die in Deutschland oder in der Schweiz praktiziert wurden und werden. Dafür unterhält die Autorin ihre Leserschaft mit kurzweiligen Episoden zu Max Frisch, Martin Luther oder Andy Warhol. Es ist jedoch keine beliebige Aneinanderreihung von morbiden Ereignissen, Gedanken oder Bräuchen, die Happe präsentiert, sondern eine nach intensiver und umfänglicher Recherche interessant zusammengestellte, äußerst informative Publikation mit einer überzeugenden Gliederung, die auf Effekthascherei vollends verzichtet. Ungewöhnlich ist lediglich die indirekte Quellenwiedergabe durch Rückgriff auf die von der Verfasserin selbst vorgelegte Sekundärliteratur, eingeführt durch ein „zit. nach“. Die Aufbereitung einer Themensetzung, die uns alle betreffen wird, ist Barbara Happe höchst lesenswert gelungen und verdient viel Beachtung.