Fake News

Der Begriff ‚Fake News’ ist inzwischen in großen Teilen der Welt zu einem negativen Schlagwort geworden, mit dem der Informationswert und Wahrheitsgehalt von bestimmten Nachrichten in Zweifel gezogen und als unwahr oder ‚erfunden‘ markiert wird. Er bezeichnet einerseits tatsächliche Falschmeldungen, wird aber andererseits auch verwendet, um Nachrichten, die von den eigenen Überzeugungen und Annahmen abweichen, zu diskreditieren und für unglaubwürdig zu erklären. Gleichzeitig ist er oftmals Ausdruck eines generellen Misstrauens gegenüber der Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit von Presse und Politikern.

Wenn aber nun dieser Begriff sowohl objektive Falschmeldungen benennt als auch mit dem Ziel der politischen Diffamierung gebraucht wird, ist es sehr schwer zu entscheiden, was eine ‚Fake News‘ überhaupt ist und wie man sie erkennen und von seriösen Nachrichten unterscheiden kann. Dies trifft natürlich erst recht für Kinder und Jugendliche zu.
Die Journalistin Karoline Kuhla hat daher ein Buch für Jugendliche ab 13 Jahren geschrieben, in dem sie nicht nur erläutert, was unter dem Begriff verstanden kann, sondern in dem auch die Hintergründe der neuen Glaubwürdigkeitskrise im Hinblick auf die Presse und Politiker aufgearbeitet werden. Kuhla legt zudem ausführlich dar, warum eine freie Presse für ein demokratisches System unverzichtbar ist und welche Arbeitsweisen und Regeln für seriöse und glaubwürdige Medien und Journalisten gelten. Vor allem der Artikel 5 des Grundgesetzes, in dem das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verankert ist, bildet die zentrale Grundlage für das Recht jedes Einzelnen, aber auch der Medien, sich unzensiert und unabhängig von Politik und wirtschaftlichen Einflüssen mündlich, aber auch in schriftlicher und medialer Form zu äußern. Eingeschränkt wird dieses Recht jeweils nur durch Gesetze, das etwa festlegt, dass Journalisten (wie auch andere Personen) niemanden verleumden dürfen.

Klar ist, dass Fake News das Vertrauen in Berichterstattung gefährden und ein großes destruktives Machtpotential darstellen. Sie führen dazu, dass die Medien inzwischen häufig vor allem von rechter Seite als ‚Lügenpresse’ bezeichnet und allgemein postuliert wird, wir lebten im ‚postfaktischen Zeitalter‘. Kuhla erklärt unter anderem die Genese und Bedeutung beider Begriffe und diskutiert sie kritisch. Ebenso erläutert sie die Unterschiede zwischen Meinungen, Fakten, Wahrheit und Lüge. Meinungen können und sollen in demokratischen Systemen und Medien unterschiedlich und vielfältig sein, das macht Kuhla deutlich, dies bedeutet jedoch etwas ganz anderes als Fakten zu leugnen. Zwischen Wahrheit und Lüge liegt dabei, so führt sie überzeugend aus, eine große Grauzone. Denn wer eine erfolgreiche Lüge erfinden wolle, so zitiert sie den amerikanischen Philosoph Harry G. Frankfurt, müsse seine wahrheitswidrige Behauptung im Hinblick auf die Wahrheit konstruieren. Er erkenne an, dass es Fakten und Tatsachen gebe, und versuche, diese zu verschleiern oder zu imitieren. Menschen, die ‚alternative Fakten‘ präsentierten, produzierten dagegen meist nur „Bullshit“: „Denn Bullshitter liegen mit ihren Aussagen irgendwo in der Grauzone auf dem Weg zur Lüge. Sie reden einfach drauflos, kümmern sich nicht um Fakten, sondern sagen heute dies und morgen das. [...] Anders als der aufrichtige Mensch und als der Lügner achtet er auf die Tatsachen nur insoweit, als sie für seinen Wunsch, mit seinen Behauptungen durchzukommen, von Belang sein mögen. Es ist ihm gleichgültig, ob seine Behauptungen die Realität korrekt beschreiben. Er wählt sie einfach so aus oder legt sie sich so zurecht, daß sie seinen Zielsetzungen entsprechen“ (S.134f.). Ziel des Bullshitters sei es nicht unbedingt, dass seinen Behauptungen unmittelbar Glauben geschenkt würde, sondern dass durch die ständige Wiederholung der Behauptung irgendwann der Widerstand erlahme und sich so offensichtlich Falsches in den Bereich des Denkbaren und schließlich des Faktischen schleichen könne.

Um sich gegen Fake News, Lügen, Propaganda und Bullshit zu rüsten, empfiehlt Kuhla nicht nur, diese durch Wissen und Information zu enttarnen, sondern vor allem ein anderes und neues Narrativ zu diesen liefern, etwa durch eine Beschreibung der jeweiligen Hintergründe, Urheber und Motive dieser Falschnachrichten. Es gehe darum „den Lügnern das Publikum auszuspannen“ (S. 142). Alle könnten ihren Beitrag gegen Fake News leisten, so appelliert sie zum Schluss. Als aktive Teilnehmer der Medien, als Multiplikatoren, die teilten, likten, kritisierten und verbreiteten, solle jeder seine Verantwortung wahrnehmen: „All eure Aktivitäten in den sozialen Medien sollten wohlüberlegt sein. Denkt an die Aufklärung und setzt euren Verstand ein“ (S. 157).

Karoline Kuhlas Buch zu Fake News für Jugendliche ist ein sehr wichtiger Beitrag zur Demokratie- und Medienerziehung. Der Verlag stellt für Lehrer auf seiner Internetseite (https://www.carlsen.de/suche?k=fake+news) zudem ausführliches Unterrichtsmaterial für die Klassen 8 bis 13 zur Verfügung, das auf der Grundlage des Buches ein Unterrichtsmodell für Fake News im Unterricht sowie zahlreiche Kopiervorlagen bietet.
Einziger Kritikpunkt am Buch ist möglicherweise die vollständig fließtextbasierte Ausrichtung, die Jugendliche vermutlich eher wenig anspricht und das Interesse für das Buch daher hemmen könnte. Die Auflockerung der Seitengestaltung durch die Verwendung von Schaubildern, Grafiken oder Infokästen wäre hier sicherlich hilfreich gewesen, um die Attraktivität und Verständlichkeit des Buches für die Zielgruppe zu erhöhen. Dennoch: In der Zusammenstellung und Aufbereitung der Inhalte bietet das Buch einen sehr guten und leicht verständlichen Überblick über die Thematik und Problematik und sollte im Unterricht oder auch in der gemeinsamen Auseinandersetzung von Eltern und Jugendlichen mit der Thematik unbedingt Verwendung finden.