In den Fabriken des Todes
Verloschene Lichter II : Ein früher Zeitzeugenbericht vom Arbeitslager Skarzysko-Kamienna

Mordechai Strigler, der im Jahr 1918 geboren wurde, überlebte als junger Mann zwölf Gettos, Arbeits- und Konzentrationslager. Im Jahr 1945 wurde er befreit und emigrierte nach Paris. Dort begann er mit seiner Tetralogie „Verloschene Lichter“. „Die Fabriken des Todes“ sind der zweite Teil der Tetralogie und beschreiben eindrucksvoll den Alltag und die Lebensumstände im Arbeitslager Skarżysko-Kamienna. Die nächste Station in seinem Leben war ab 1952 New York, wo er für jiddische Zeitungen arbeitete. Im Jahr 1978 erhielt er den Itzik Manager-Preis für jiddische Literatur und im Jahr 1998 verstarb Strigler.

Das Arbeitslager Skarżysko-Kamienna wurde im August 1942 auf Initiative der Hugo Schneider Aktiengesellschaft (HASAG) errichtet. Die HASAG begann 1863 als kleine Lampenfirma, lieferte aber ab dem Jahr 1933 Munition für die Infanterie und die Luftwaffe der Wehrmacht. Während des Krieges betrieb die HASAG acht Werke, die sowohl Zivilarbeiter als auch Zwangsarbeiter aus den Konzentrationslagern beschäftigten. Mordechai Strigler war zuvor in Majdanek gefangen und wurde dann als Zwangsarbeiter für die HASAG Werke – genauer Werk C – selektiert. Eine umfassende, informierende und durch Anmerkungen ergänzte Vorrede des Autors führt den Leser in die Geschichte des Werkes C ein. Dadurch wird das nötige Wissen, um die Weite der beschriebenen Ereignisse fassen zu können, dargelegt.

Bereits in der Vorrede wird deutlich, dass die Lebensumstände im Werk C der HASAG-Werke besonders für die jüdischen Gefangenen schwierig und leidvoll sind. Die Herstellung von Sprengstoff und Granaten erfordert einen Umgang mit Chemikalien, die ohne Sicherheitsvorkehrungen eine stark ätzende und gefährliche Auswirkung auf den Körper haben. Entsprechend werden immer wieder die Körper der Zwangsarbeiter beschrieben, die eine eigentümlich gelbliche Verfärbung von der Arbeit an den Kesseln haben und von denen sich viele andere Zwangsarbeiter, die nicht unmittelbar mit den Chemikalien arbeiten, fernhalten. Die Gefangenen werden nur spärlich mit Essen versorgt, haben nur einmal die Woche die Möglichkeit, sich zu waschen und die Kleidung müssen sie sich selbst besorgen. So kommt es, dass die Sachen durch die Chemikalien zum Teil zersetzt sind und man durch geschicktes Handeln an etwas Brot oder Kleidung kommen kann oder sogar muss.

Die Gemeinschaft im Lager, die aus Männern und Frauen besteht, wird als sehr heterogen beschrieben. Der Protagonist des Buches erlebt zum Teil solidarische Verknüpfungen, aber auch sehr hierarchische Strukturen, die sich in den meisten Fällen durch Brutalität und Sadismus äußern. Der Verfasser beschreibt sein Verhältnis zu dem Protagonisten als Verschmelzung (vgl. S. 55). Dies dient vor allem der Literarisierung des Werkes. An einer Stelle heißt es: „Die weiteren Schilderungen in diesem Buch sind nur ein blasser Widerschein dessen, was sich in dieser Hinsicht dort abspielte. Die Gestalten, die, wenn auch aus bestimmten Gründen unter anderem Namen beschrieben werden, sind real. Die literarische Form mildert die Helden und die tatsächlichen Vorkommnisse etwas ab. Der Verfasser interpretiert und vertieft sie nur in bestimmten Augenblicken, hält sich immer im Rahmen der bedrückenden, damaligen Wirklichkeit“ (S. 53). Die Milderung wird durch zahlreiche, fast poetisch klingende, Personifikationen erreicht. Die Natur und die Gebäude werden häufig als Kontrast zu den detaillierten Schilderungen der schweren Arbeit genutzt. Auf diese Weise entsteht ein Bild von einer schönen, ruhenden Natur, die das Grauen der Zwangsarbeit im Wald verschluckt und somit das Lager von der Zivilisation abschirmt.

Die detaillierte Beschreibung und die Informationen über den Alltag führen dazu, dass man das Buch einerseits nicht aus der Hand legen möchte, während andererseits einige Schilderungen einem so nahe gehen können, dass man das Buch weglegen möchte. Durch die Augen des Hauptcharakters Mechele und die differenzierte Darstellung der Mitgefangenen oder Aufseher wird ein Bild mit vielen Graustufen gezeichnet, was das Buch zu einem lesenswerten und informativen frühen Zeitzeugenbericht macht.