Pontifex
Die Geschichte der Päpste. Von Petrus bis Franziskus

Eine Geschichte der Mächtigen ist das Tableau der Mutigen, Schillernden und Bösen. Päpste zeigen da kaum weniger Couleur. Volker Reinhardt, Historiker an der Universität Fribourg, hat sich ihnen mit Pontifex: Die Geschichte der Päpste genähert.

Aus den Ursprüngen, die „schemenhaft und nur als Projektionsflächen späterer Zeiten bedeutend“ sind (S. 30), schält sich hier eine Papstgeschichte in 14 chronologischen Abschnitten heraus. Einen Anfangspunkt setzt Reinhardt nicht, Petrus ist ihm mehr Problem: die Historie rund um die ersten Päpste bleibt nebulös, fast imaginär. Erst mit Damasus, unbeliebt, Parvenü und Schöngeist, kommt Aufhellung — die römische Kirche des 4. Jahrhunderts hat ihren ersten Legitimationsbeweis und steht vor dem Scheideweg: „Sollten die höchsten Vertreter der Kirche arm wie der Fischer Petrus oder reich wie Fürsten auftreten?“ (S. 59). Päpste stritten, kämpften gegen weltliche Obrigkeiten und polarisierten. Und sie gewannen Autorität — eine Symbiose zwischen Papsttum und weltlichen Mächten war entstanden. Im ausgehenden Frühmittelalter verlagern sich Machtverhältnisse, die Nachfolger auf dem Stuhl Petri stehen nun moralisch über den Kaisern, werden später gar Kaisermacher. Reinhardt fasst sie in Kleingruppen zusammen, liefert Hintergründe für Aufstieg und Fall der Pontifices. Aspiranten auf den Papstthron wurden wesentlich durch Familienclans und Adelsherrschaft, mithin durch die „Weitergabe der Petruswürde innerhalb derselben Familie“ (S. 167) bestimmt und gewählt, nicht durch den Willen des Heiligen Geistes — „ein ebenso verführerisches wie theologisch bedenkliches Gegen-Modell der künftigen Kirchenführung“ (S. 175).

Kirchenreform, Kreuzzüge und Kämpfe um die Vormacht sind kennzeichnend für die Jahrhunderte des Hochmittelalters. Es ist auch die Zeit vermehrter Gegenpäpste und längerer Sedisvakanzen. Zugleich eine richtungsweisende Zeit, in der päpstlicher Nepotismus deutlich machte, „was sich bei äußerster Anspannung aller Machtmittel für die eigene Familie aus einem Pontifikat herausholen ließ“ (S. 365).

Namen kommen und gehen, allzu Persönliches, Rührendes oder Grausames spart der Historiker in seinen Kurzporträts aus. Es bleibt bei nüchternen Skizzen: Vorgeschichte, Papstwahl, Pontifikat und Nachwirkung. Dabei offenbaren Päpste große Bandbreite, die einen greisen Eremitenpapst Cölestin V., „Objekt, nicht Drahtzieher des Spiels um die höchste Würde der Kirche“ (S. 374), ebenso einfängt wie den zweiten Borgia-Papst Alexander VI., der sich „aller Normen und Rücksichtnahmen ledig“ (S. 496) fühlte.

Eine kritische, gut lesbare Papstgeschichte mit Einflechtung kultur- und sozialgeschichtlicher Kontexte bleibt es auch in der Neuzeit. Prachtentfaltung, Ohnmacht und Schwäche der Stellvertreter Christi wechseln sich ab. Das lange Pontifikat des Pius IX. ist Reinhardt gar ein „Vorwärts ins Mittelalter“ (S. 776). Die Gestalten der letzten einhundert Jahre sind schwankende, in Weltkriege hineingezogene Päpste, aber auch Figuren der „programmatischen Weichenstellung“ (S. 847). Fast reißerisch wird die Sensationswahl des Wojtyla-Papstes mit „Polen in Rom“ (S. 860) angekündigt, bevor den noch lebenden Päpsten „Disziplin und Fürsorge“ (S. 866) attestiert werden.

Seinem Gesellenstück früherer Darstellungen zur Papstgeschichte hat Volker Reinhardt mit Pontifex: Die Geschichte der Päpste ein Meisterstück folgen lassen, sine ira et studio geschrieben und durch Hinzufügung von über hundert Schwarz-Weiß-Fotos optisch gelungen ergänzt.