Handbuch Sprache und Wissen

Mit dem vorliegenden „Handbuch Sprache und Wissen“ legen die beiden Herausgeber den Einleitungsband zu einer Reihe mit dem Titel „Handbücher Sprachwissen“ (HSW) vor. Im Unterschied zu den „Handbüchern zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft“ (HSK) sollen die Bände dieser Reihe indessen eher praktisch-faktenorientiert und weniger theoretisch-problemorientiert angelegt sein: „Eine so verstandene phänomenorientierte Perspektive will in besonderer Weise der Tatsache Rechnung tragen, dass Sprache den primären intellektuellen Zugang zur Welt vermittelt, den Austausch über ihre Erscheinungen ermöglicht und dabei die Art und Weise des Erkennens und Handelns entscheidend prägt“ (x). Vor diesem Hintergrund erscheinen der Titel des Bandes wie derjenige der ganzen Reihe bewusst doppeldeutig gewählt – geht es nämlich sowohl um „Wissen über Sprache“ als auch um „Wissen durch Sprache“ (ix). Der erste Band gliedert sich dabei in vier Abschnitte, in denen zunächst allgemeine Grundlagen und dann einzelne Themenfelder von Sprache und Wissen umrissen werden, die in den folgenden Bänden jeweils näher betrachtet werden sollen.

Der erste Abschnitt ist den „Grundlagen“ des Themenkomplexes „Sprache und Wissen“ gewidmet und befasst sich in fünf Kapiteln mit „Sprache – Erkenntnis – Handeln“ (E. Felder, A. Gardt), „Bedeutung“ (U. Busse), „Sprache und Wissen“ (K.-P. Konerding), „Sprachsystem und Sprachgebrauch“ (H. Feilke) sowie „Medialität“ (L. Jäger); dieser Abschnitt steckt somit den sprach- und erkenntnistheoretischen Rahmen ab, in dem die folgenden Abschnitte und Kapitel zu stehen haben. Und so werden im zweiten Abschnitt „Sprache und ihr Gebrauch im systematischen Fokus“ thematisiert, wobei sechs Kapitel (die auf sechs weitere Bände der Handbuchreihe vorausblicken) angesetzt werden: „Laut – Gebärde – Buchstabe“ (U. Domahs, B. Primus), „Wort und Wortschatz“ (U. Haß, P. Storjohann), „Satz – Äußerung – Schema“ (C. Dürscheid, J. G. Schneider), „Text und Gespräch“ (N. Janich, K. Birkner), „Diskurs“ (I. H. Warnke) und „Sprache im multimodalen Kontext“ (N.-M. Klug, H. Stöckl). In diesen Kapiteln werden jeweils die Grundeinheiten der betreffenden linguistischen Beschreibungsebenen eingeführt, deren Bedeutung im Rahmen der Untersuchung von Sprache und Wissen skizziert, sowie einige Problemstellungen und Analysemethoden umrissen. Der dritte Abschnitt befasst sich mit „Varietäten und metasprachlichen Perspektiven“, wobei drei Kapitel (drei Handbüchern entsprechend) angesetzt werden: „Sprache in der Geschichte“ (J. A. Bär, A. Lobenstein-Reichmann, J. Riecke), „Sprache in sozialen Gruppen“ (E. Neuland, P. Schlobinski) und „Sprache im Urteil der Öffentlichkeit“ (J. Spitzmüller unter Mitarbeit von G. Antos, T. Niehr).

In diesem dritten Abschnitt wären auch fachsprachliche Varietäten und Mehrsprachigkeit zu vermuten – die fachsprachlichen Varietäten und der Sprachgebrauch in spezialisierten Kommunikationsbereichen finden sich indessen eigens in dem folgenden und zugleich letzten Abschnitt mit elf Kapiteln (bzw. antizipierten Handbüchern) unter dem Titel „Sprache in Wissensdomänen und Handlungsfeldern“: „Sprache in der Medizin“ (A. Busch, T. Spranz-Fogasy), „Sprache im Recht“ (E. Felder, F. Vogel), „Sprache in der Wirtschaft“ (M. Hundt), „Sprache in Organisationen“ (S. Habscheid, A. P. Müller, B. Thörle, A. Wilton), „Sprache in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik“ (V. Atayan, T. Metten, V. A. Schmidt), „Sprache in der Kunstkommunikation“ (H. Hausendorf, M. Müller), „Sprache in der Literatur“ (A. Betten, U. Fix, B. Wanning), „Sprache und Religion“ (A. Lasch, W.-A. Liebert), „Sprache in Politik und Gesellschaft“ (M. Wengeler, A. Ziem), „Sprache im urbanen Raum“ (B. Busse, I. H. Warnke) sowie „Sprache in der Bildung“ (B. Brouër, J. Kilian, D. Lüttenberg). Die Wahl dieser Kommunikationsbereiche mag ein wenig willkürlich anmuten, entspricht jedoch durchaus den empirischen Schwerpunkten, die hier innerhalb der (germanistischen) Sprachwissenschaft bestehen.

Angesichts der angesetzten Themenbereiche und Kapitel umreißt der vorliegende Band den Forschungsstand im thematischen Fokus auf „Sprache und Wissen“ und wird seiner Funktion als Einleitungsband zu der Reihe „Handbücher Sprachwissen“ sicher gerecht. Angesichts des eher praktisch-faktenorientierten und weniger theoretisch-problemorientierten Charakters der Kapitel (und künftigen Bände) stellt sich indessen die Frage nach dem Rezipientenkreis – ist dieser doch angesichts etablierter Themenbereiche wie „Wort und Wortschatz“, „Sprache in der Geschichte“ oder „Sprache im Recht“ eher in der akademischen Lehre, im Hinblick auf innovative Themenbereiche wie „Sprache im multimodalen Kontext“, „Sprache im Urteil der Öffentlichkeit“ oder „Sprache im urbanen Raum“ eher in der Forschung selbst zu suchen und vielleicht auch zu finden.

Beabsichtigt oder nicht – bisweilen wird eine germanistische Perspektive nur allzu deutlich spürbar: Forschungsergebnisse der Allgemeinen Sprachwissenschaft und benachbarter Philologien finden in recht unterschiedlichem Maße, mitunter auch zu wenig Beachtung. Diese Zentrierung auf das Deutsche in Sprache und Wissen spiegelt sich letztlich auch thematisch in einer gewissen Zurückhaltung gegenüber Mehrsprachigkeit (verstanden als Pluralität verschiedener sprachlicher Domänen von Wissen) wider: Dies gilt zum Beispiel für diverse Aspekte des Sprachkontrasts und der Vergleichenden Sprachwissenschaft, für Mehrsprachigkeit im Allgemeinen und für Deutsch als fremde Sprache (Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache) im Besonderen oder für das Verhältnis zwischen nationalen Fach- und Literatursprachen wie dem Deutschen oder Chinesischen und dem Englischen als internationaler Lingua franca im Zeitalter der Globalisierung. Letztlich erfahren aber auch Spracherwerb und Sprachdidaktik sowie Sprachmittlung in Übersetzen und Dolmetschen (als Konstitution und Transfer bzw. Transformation von Wissen) in dem vorliegenden Band sowie in den geplanten Handbüchern der Reihe nur eine verhältnismäßig geringe Beachtung. Da die Handbuchreihe nach Angabe der Herausgeber „offen für weitere Bände angelegt“ ist, dürfen diese Hinweise weniger als Kritik, sondern vielmehr als Anregung verstanden werden.