Der Limes
Kontaktzone zwischen den Kulturen

Der Verlag Reclam hat für seine Sachbuchreihe mit Gerhard Waldherrs Der Limes eine von der ersten bis zur letzten Seite lesenswerte Darstellung einer „Kontaktzone zwischen den Kulturen“ (Untertitel) aufgelegt. Die seit 2005 als UNESCO-Welterbe der Menschheit anerkannte, römische Grenze, die mit 550 km Länge eines der größten Bodendenkmäler ist und sich an vielen Stellen in Deutschland noch heute erkennen lässt, ist bereits seit Jahrzehnten immer wieder Gegenstand zahlreicher Fach- und Sachbücher gewesen – und wird nach wie vor für eine interessierte Leserschaft in verschiedenen Formaten (Bildbände, Einführungen, geschichtliche Kontextualisierungen) von Autoren unterschiedlicher Fachrichtungen (Archäologen, Philologen, Historiker) und Fachjournalisten aufbereitet.

Waldherr, ausgewiesener Altgeschichtler, legt in seinem Werk die Hauptaugenmerke auf die historischen Entwicklungen, die zur Schaffung einer befestigten Grenze in Obergermanien durch die Römer führte, auf die bauliche Gestaltung des Limes, auf die Organisation der Grenzsicherung und auf die Siedlungen und ihre Bewohner in der Nähe der Grenze, die als Kulturträger untersucht werden. Mit einem Ausblick auf weitere Grenzregionen des Römischen Reiches, z. B. Britannien oder die Sahara rundet Waldherr seine Betrachtung auf den obergermanisch-rätischen Limes vorzüglich ab. Anmerkungen und Literaturhinweise geben Hilfestellung für eine vertiefende Betrachtung einzelner Aspekte, ein umfangreiches Ortsregister führt rasch zu den gesuchten Stellen im Buch, und eine Übersichtskarte des Römischen Reiches Mitte des 2. Jhs. n. Chr. bilden die Provinzgrenzen, römischen Einflusssphären und die Limesverläufe gut nachvollziehbar ab. Detailkarten im Text dienen zur Orientierung und verdeutlichen die Kulturkontakte, die durch den Limes als Grenze kanalisiert worden sind. Schauskizzen geben einen Eindruck z. B. der Wehrtürme und der Grenzmauer zu verschiedenen Ausbauphasen des Limes wieder, ebenso helfen ein Foto eines nachgebauten hölzernen und die Rekonstruktionszeichnung eines steinernen Grenzwachturms, das soldatische Leben an den Außenbereichen des römischen Imperiums zu verstehen.

Waldherr gelingt es, den Leser von der Entstehung des Limes im 1. Jh. n. Chr. bis zu seiner sukzessiven Aufgabe im 3. Jh. n. Chr. mitzunehmen. An dieses historische Gerüst hängt der Autor geschickt weitere Einzelfragen an, sodass nach der Lektüre des Buches die wichtigsten Aspekte zum Limesbau und seiner Funktion behandelt worden sind.

Der Text ist kurzweilig verfasst, mit informativer Tiefe und mit Blick auf in altertumskundlichen Fächern geführte Diskussionen, aber nicht derart, dass der weniger intensiv mit der Materie vertraute Leser ausgegrenzt wäre. Ausgespart bleibt weitgehend die Forschungsgeschichte seit dem 19. Jh. n. Chr. Dies ist unter der Zielsetzung des Buches nachvollziehbar, denn zum einen hätte der Umfang erweitert werden müssen – dies wäre leseunfreundlich geworden – zum anderen hätte das Buch viel von seinen inneren Bezugnahmen und seiner Stringenz verloren, die es auszeichnet.

Gerhard Waldherrs Der Limes ist eine der besten Empfehlungen für alle Leser, die einen fachkundigen Einstieg in die Struktur und Gestaltung sowie eine vertiefende Diskussion über die historischen Hintergründe zum Bau des römischen Grenzwalls an der Ostgrenze des Imperiums suchen.