Maria Theresia. Ein europäischer Mythos.

Zuallererst ist es eine Indienstnahme Maria Theresias durch den Autor, wenn er „anhand der wichtigsten Beispiele in Wort ‚und‘ Bild“ zeigt, in welcher Weise die vielfältigen Mythisierungen Maria Theresias seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in der Lage waren, Licht auf die politischen und kulturellen Interessen der jeweiligen Gegenwart zu werfen“(223). Dabei sagen laut Autor diese ‚Bilder‘ „um einiges mehr über die Ansprüche, die man an sie herantrug aus, als über die historische Person selbst“(19/20).

Die Gliederung nach drei Jahrhunderten arbeitet somit mehr die Charakteristika der unterschiedlichen Funktionalisierung der Bildgestalt und Bildgestaltung heraus: Noch zu Lebzeiten Maria Theresias, gleichermaßen einer Zeit „hohen Porträtaufkommen[s]“(62) wie  einer „Legitimationskrise der europäischen Monarchien“(32) im 18. Jahrhundert, wird die Familiarisierung dynastischer Herrschaft wichtig, genauso die demonstrative Nutzung der „Pluralität der Rollen“(58), für die sich ein weiblicher ‚Herrscher‘ ideal eignete. Der „schillernde Pluralismus“(157) wird im 19. Jahrhundert abgelöst durch eine staatsintegrative Rolle, mit deren Komponenten: Maria Theresia soll helfen, den angeblich ‚weiblichen‘ „Kulturstaat“ gegen den ‚männlichen‘ „Machtstaat“ Preußen abzugrenzen (133); sie fungiert als ‚Landesmutter‘; stets repräsentiert sie zugleich die ‚deutsche Frau‘ wie den ‚österreichischen Volkscharakter‘(140), gar als „Verkörperung und Schnittmenge des gesamten habsburgischen Tugendarsenals“(136). Mithin ein echter Stoff für einen Staatsmythos, der sich allerdings mit seinem Objekt, insbesondere in seiner bildlichen Darstellung und Denkmalsetzung, zusehends „denkmalhaft-statuarisch“(158) verfestigte. Im 20. Jahrhundert generiert die Habsburgerin zur „Verkörperung des Ahistorischen schlechthin“ (182), wovon es nicht mehr weit ist zur ‚Repräsentantin einer essentialistischen Vorstellung des Österreichischen‘(207). In Österreichs Ersten Republik bildete sie eine Ingredienz im Diskurs um die, womöglich ‚bessere‘ Deutschheit Österreichs; als Teil des Dritten Reiches entsprechend instrumentalisiert, etwa mit der „Gleichung Maria Theresia = Reich“(201) (ab Herbst 1944 musste die Regentin sogar mit ihrem Namen für eine SS-Division herhalten, 202).

Weshalb der Verfasser die Behandlung des Stoffes ‚Maria Theresia‘ ab der Zweiten Republik in der Tendenz nur mehr „die Funktion einer bloßen Staffage“(204) haben lässt, um konsequent daraus zu schließen, Maria Theresia sei gegenwärtig der „Mythos eines Mythos“(224), ist womöglich nicht allen zugänglich. Jedenfalls diente nach 1945 gegenständliche Persönlichkeit als Versatzstück drängender sozialpolitischer Themen: sei es als ‚Gewährsfrau des als wesenhaft österreichisch definierten Konservativismus‘ bei der Neugründung der ÖVP(205), als ‚Leitfigur des Feminismus‘(195) in der Biographistik, als ‚Mater Austriae‘, und als solche ‚der Inbegriff der europäischen Geistigkeit‘(206).

Das Buch ist reich an Abbildungen, zum kontrollierenden Nachvollzug der profunden Deutungen des Autors.

Interessant wäre auch zu lesen gewesen, weshalb es gelang, aus der Person Maria Theresias „einen übergeschichtlichen und naturgleichen Mythos mit zentraler Mutteridee zu formen“(224); immerhin eine Persönlichkeit, wie Telesko betont, „als ein fundamentaler Dreh- und Angelpunkt im Verständnis Österreichs und Deutschlands im 18. Jahrhundert“ und angeblich ‚Gründerin des modernen Österreich‘(21). – Telesko, in der Hauptsache Kunsthistoriker, legt sein Hauptaugenmerk darauf, weshalb und wie in den von ihm durchlaufenen Zeitabschnitten und den sich jeweils wandelnden (staatstragenden) Intentionen Maria Theresia in der künstlerischen Darstellung hierauf Akzentverschiebungen erfuhr. Was jedoch mit diesen ‚Kaiserinnen‘-Darstellungen (somit auch des leibhaftigen Menschen) schließlich bewirkt werden konnte, spart er aus. Im Ergebnis bleiben die Breitenwirkung angesprochener „beispielloser Funktionalisierung der historischen Persönlichkeit“(224) blass; kaum geklärt wird, inwieweit Maria Theresia eine ‚deutsche‘ Herrscherin, gar eine Herrscherin ‚der Deutschen‘, desgleichen, weshalb Maria Theresia ein ‚europäischer Mythos‘ (gewesen) sein sollte.

So sehr auch der Verfasser dem Mythos ‚Maria Theresia‘ analytisch Konturen abgewinnt, es verbleiben doch noch ‚blinde‘, mythische ‚Flecken‘.