Deutsch auf Vorderfrau
Sprachkritische Glossen

Den Rezensenten erreichte das Rezensionsexemplar am gumpigen Donnerstag, also an Weiberfastnacht. Weißgott, weißgöttin, mit Goethe ein Symbol.

Das hohe Streben der Autorin geht dahin, ein 'geschlechtergerechtes Deutsch' herzustellen; da ist in der Entwicklung der Sprache etwas schief gelaufen, Macho-Männer-Interessen haben sich evolutionär durchgesetzt; das muss jetzt korrigiert werden. 'Reparaturmaßnahmen an der deutschen Männersprache' sind nötig.

Nehmen wir vorab ein Beispiel. Der Mond muss 'weiblich' werden! Das wird begründet damit, dass in den romanischen Sprachen der Mond als Göttin weiblich ist. Luna, la lune, also im Deutschen wie schon bei Goethe in dem göttlichen Gedicht 'An Luna' ebendieser männliche Mond 'Schwester von dem ersten Licht' genannt wird. Was alle Germanistik-Studenten im ersten Semester irritiert. Das erste Licht ist der Sonne(ngott).

Nach dieser überzeugenden Logik von Frau Pusch müsste es dann also auch im Deutschen der Sonne heißen, denn in den romanischen Sprachen ist der Sonnengott Sol männlich: le soleil, il sole. Diese logische Konsequenz übersieht die feministische 'Sprachwissenschaftlerin' geflissentlich. Passt nicht ins Konzept einer durchgehenden Feminisierung der Sprache. Bald gibt es nur noch 'weibliche' Nomen.

Hier geht es prinzipiell 'um feministische Kritik an unserer Männersprache'. 'Wir machen unsere Sprache selber und bringen das Deutsche auf Vorderfrau.' Nu, dann man tau, sagt man vielleicht in Norddeutschland, da passt mal Acht, dass ihr nicht auf die Nase fallt. Die Absicht entspricht ganz dem modernen Bewusstsein, das unüberbietbar ein romantischer Vers formuliert (ja, diese Träumer sind bei den Sachen): 'Wir sind selber Götter.' Hier heißt das natürlich Göttinnen. Wir setzen die Normen, sagen, wo's langgeht. Es geht 'um Herrisches innerhalb der Wörter und darum, wie diese Teile für Frauen tragbar gemacht werden können'.

Auf die naheliegende Idee, ernsthafte Sprachstudien zu treiben, ist Frau Pusch wohl nie gekommen. Spätestens auch beim Studium semitischer Sprachen könnte ihr dann klar werden, dass die Artikel gar nix mit Mann und Frau zu tun haben, sondern sich ganz anderen semantischen Unterscheidungskriterien verdanken. Genauso gut kann man für weiblicher, femininer Artikel auch rosa Artikel sagen und für maskulinen, männlichen Artikel blauer.
Das ist wie mit den Konjugationen, die bekanntlich in starke und schwache getrennt werden. Was aber mit stark und schwach gar nichts zu tun hat. Dass Grammatiken oft die abenteuerlichsten Bezeichnungen benutzen, zeigt etwa das Hebräische; da hat man immer gesagt, es gebe nur zwei Tempora, Imperfekt und Perfekt, und sonst nix. Zwei Tempora der Vergangenheit! Erst langsam setzt sich in den neueren Grammatiken die richtige Bezeichnung, Präfixkonjugation und Suffixkonjugation, durch. Und, man darf von Glück sagen, dass die Zahlen nach gerade und ungerade sortiert werden und nicht nach männlich und weiblich (was doch naheläge), sonst ginge der Zoff auch hier los.

Also: Frau Pusch wird als Person eine wunderbare, sympathische Frau sein, ich kenne sie nicht, aber das Bild, das ich gefunden habe, ist sympathisch, sehr sympathisch (deshalb freilich darf sie aber doch nicht bei Lehrveranstaltungen an der Uni Jungs von der Teilnahme ausschließen).
Dann: natürlich kann sie ihre Spielchen treiben, wir sind zum Glück (noch) ein freies Land. Aber sie möge doch bitte deutlich machen, dass das, was sie macht, keine Wissenschaft ist, bitte das Etikett ändern. Es ist Carneval und Cocolores, manchmal sogar ganz nett. so, dass sie durchaus verdient, mit dem Aachener Orden wider den tierischen Ernst ausgezeichnet zu werden (ich werde einen Brief schreiben und sie dort vorschlagen als Ritterin).
Aber, Vorsicht! Da gibt es nicht nur den Ausruf: Göttinseidank! Sondern auch den Wöchner (als Ehemann, Lebensgefährte der Wöchnerin?). Also sollen die Männer ' was die Damen gern hätten ' die Kinder kriegen?
Ruhig bleiben, sich selbst immer weiter bilden, hier heißt das ins Grimmsche Wörterbuch schauen. Und, man putzt die Brille: den gibt es, den Wöchner, und schon seit langem, schon seit dem Mittelalter. Er hat im Wörterbuch eine ganze Spalte: 'der bei der versehung des wochendienstes an der reihe ist, sowohl bei geistlichen wie weltlichen verrichtungen' (die Grimms schreiben alles klein). Also der Mönch, der im Kloster die Kehrwoche hatte. Und ein für Wohngemeinschaften heute unersetzliches Wort; er, der diese Woche die Mülltonne rausstellt und das Treppenhaus putzt. Wahnsinn, wie alt man wird und man kennt noch immer nicht die deutsche Sprache.

Und, die Illnern wird ihren Spruch: 'Sie sind zu Gast bei Maybritt Illner!' ändern müssen. Es gibt die Gästin! Also Gäste werden nicht mehr allein gelassen, ihnen zugesellt (oder zugefraut) werden die Gästinnen! Auch hier sagt das Grimmsche Wörterbuch, was Sache ist. Eine Gästin ist ein 'weiblicher gast, wenig gebraucht, doch schon althochdeutsch, ziemlich oft mittelhochdeutsch'. Doll! Es gibt auch die 'Gastfrau', das ist 'die frau als gast'. Man wird abwarten können, ob die Sprachgemeinschaft in ihrer Mehrheit Gästin akkreditiert. Da liegt nämlich die feministische Häsin im Pfeffer und zwar wg. einer sprachgeschichtlichen Erscheinung: Worte veralten und werden ungebräuchlich.

Bei den feministischen Kolleginnen wird Sprachpolitik teils so gemacht, dass die Worte wie früher die Menschen, als es das noch gab, in den Jungbrunnen gehen und verjüngt aus demselben heraussteigen.

Zur Glosse: Wir sind Weltmeista! Das 'a' gilt, wohl vom Lateinischen und Italienischen her, als rosa Artikel, vulgo als weiblich. Frauenfußballweltmeista. Schlimm, da geht nicht die Mannschaft auf den Acker sondern, na, das wissen wir schon, ohne dass wir es sagen. Wobei jeder weiß, der auch nur eine Stunde Latein hatte, dass die a-Deklination mit flamma, Flamme, puella, Mädelchen zwar als feminin, also rosa gilt, aber daneben gibt es nauta, den Seemann, collega, den Kollegen, poeta doctus, den gelehrten Dichter, agricola, den Bauern usw.

Zwischenbilanz, man muss sagen: einstampfen! So was darf nicht den raren Platz in Bibliotheken einnehmen. Es bleibt die Hoffnung, dass dieser Quatsch bald aufhört. Auch hier mag übrigens Bildung, die allseits eingeklagt wird, tröstend helfen. Wer Western-Filme kennt, weiß, welchen Stress amerikanische Männer mit ihren Frauen hatten, die sich nicht mit Whiskey betrinken wollten. Das Problem ist zwischenzeitlich zufriedenstellend gelöst.
Da findet eine engagierte Frau aus dem 'Frauenbüro' ' ich frage, gibt es auch schon ein Männerbüro oder besser Herrenbüro? ' die Formulierung 'Niederkunft der Ehefrau' anstößig. Die Puschin beginnt mir der Erörterung, her und hin, hin und her und dann die päpstliche (dies Wort nur unter Vorbehalt, es bedarf einer Renovation, da ist zuviel Papa drin, es fehlt Mama, also wohl bald: die mämliche; ich höre aus meiner feministischen Umgebung, dass eine Umbenennung vorbereitet wird: aus dem Vatikan werde der Mamikan), dann also die Entscheidung: 'Geburt und Entbindung sind akzeptable Wörter.' (S. 32) Gott, nein Göttin, wenigstens das. Das gilt nun, alles andere ist im Bann. Roma locuta, causa finita. Frau Luise Pusch dekretiert, mit männlich herrschaftlicher Geste, dass 'Niederkunft' out ist (ja, neudeutsch out, obwohl doch rosa). Geburt und Entbindung können gebraucht werden, sie haben den rosa Artikel 'die' (bislang noch vulgo: den femininen); das ist nun 'geschlechtsneutral' standardisiert. Elisabeth von Thadden sieht in dieser Welt eine 'skurrile Vielschichtigkeit', eine abstruse Meinungsvielfalt, Gespenster aller Arten, Abnormitäten geistern heute durch Nacht und Nebel, Standard ist die Negation der Norm, das ist in gewisser Weise heruntergekommenes Erbe der Frankfurter kritischen Schule, Adornosches Gesumme, das, was davon übrig blieb.
Dass es nur den Patron gibt, besonders auch in romanischen Sprachen, regt die Sprachkritikerinnen auf; also wird durchaus sprachlogisch die Matron gebildet. Also mit rosa Artikel die Matrone. Dass das Wort stark negativ konnotiert ist, lässt Frau Pusch außen vor, Umwertung aller Werte. So weit, so schlecht. Jetzt wird aber 'per Rückbildung (was ist das für ein Ding?) der Matron' hergestellt: was unnennbarer Unfug ist. Aber gut, wenn es der femistische Wunsch und Wille ist, so gibt es eben Natron und Zitrone, Patron und Matrone.

In einer tendenziell maximiert, optimiert ausdifferenzierten Gesellschaft gehören die Puschischen Übungen, diese Sprachspiele, zu den vorhandenen, real existierenden Varietäten. Zunächst haben sie wie jede Varianz Anspruch auf Akzeptanz, es gilt der Minderheitenschutz, es gilt das Antidiskrimierungsgesetz etc. Allerdings bleibt da ein Problem der Abwägung, der Wertung, auf das andere Varietäten, etwa auch mehrheitlicher Art, nicht verzichten wollen.
Besonders auch auf dem Feld der sog. Gender-Theorie machen sich Tendenzen stark, die unter Beobachtung gestellt werde müssen (vgl. auch meine Rezensionen zu Gender-Literatur, in wla-online.de). Bei Adorno gab es den Ideologieverdacht als Instrument der Kritik, er gilt weiterhin; in der Kritik der feministischen 'Linguistik' ist zudem die Unsinns-Vermutung immer präsent.

Ich finde durch Zufall eine hilfreiche Position in der FAZ (ja, auch dort gibt es, trotz Patrick Bahners, noch gute Artikel). Der erste Schritt in die falsche Richtung ist die These, 'dass geschlechtsspezifische Unterschiede soziale Konstrukte sind' (Jens Alber, FAZ 23.03.2011, S. N 5). Der alte Klassenkampf zwischen Unten und Oben, Proletariat und Kapitalisten ist hier mutiert in den Kampf der Frauen gegen die Männer, genauer: bestimmter Frauen gegen die Männer. Hier gilt wie so oft Lateinisches: principiis obsta! Von hierher muss auch der Pusch'sche Karneval als Strategie gewertet werden: durch die humoristische Hintertür auf den Tanzplatz zu kommen. Jens Alber, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin, sieht ein 'bedrückendes Maß an verzerrender Realitätskonstruktion'. 'Wenn eine soziale Bewegung — (und bei Pusch wird die Linguistik umfunktioniert zur Waffe im Klassenkampf) — erst einmal unterwegs ist, nimmt sie keine Rücksicht mehr auf Logik'.

Übrigens: diese Rezension wird völlig wirkungslos bleiben. Keine Reaktion als Antwort. Auch das gehört zur Strategie und Taktik.