Finanzierung von Universität und Wissenschaft in Vergangenheit und Gegenwart

1,4 Milliarden Euro sind dem Land Hessen seine Hochschulen in den Jahren 2011-2015 wert. 12 Einrichtungen werden davon unterhalten, doch wie genau und wofür dieses Geld verbraucht wird, bleibt meistens in Ausschüssen oder Haushaltsabteilungen der Landesregierung oder der Hochschulverwaltungen verborgen. Schon alleine die aktuelle Ausgabenübersicht im Hochschulsektor ist schwer nachvollziehbar, da Ministerium und Universität oft unterschiedliche Auffassungen vertreten, welches Geld überhaupt vorhanden ist, berechnet man etwa Rücklagen oder Sondermittel für Baufinanzierung mit ein. Man bekommt rasch eine gute Vorstellung, vor welchen Problemen ein Wissenschaftler steht, will er die Finanzierung von Forschung und Lehre recherchieren und darstellen, womöglich sogar noch rückwärtig in die jüngere Vergangenheit.

'Der in aller Kürze und sehr grob skizzierte Weg der Finanzierungsgeschichte von Universität und Wissenschaft, der natürlich viele Faktoren und viele Wandlungen in sich birgt, ist allerdings in der einschlägigen Forschung noch kaum ausgeleuchtet, weder in der einen noch in der anderen Epoche, geschweige denn in vergleichender Optik über die Epochen hinweg sowie in verschiedenen Ländern bzw. Universitäts- und Wissenschaftslandschaften. Eine Finanzgeschichte der Universitäten und der Wissenschaften existiert nicht, ebenso wenig eine reine Haushaltsgeschichte über einen längeren Zeitraum hinweg, erst recht nicht eine Geschichte, die auch die Wirtschaftskraft der Universitätsbesucher und Wissenschaftler sowie ihrer Familien am Standort der Universität oder einer wissenschaftlichen Institution einbeziehen würde.' (S. 5) beschreibt der Herausgeber des anzuzeigenden Bandes Rainer Christoph Schwinges die Problematik treffend. Um wenigstens einen Einstieg in das Themenfeld geben zu können ' und das vorweggenommen gelingt der Veröffentlichung der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte ohne Frage ' sind Gründung und Finanzierung von Universitäten und Forschungsprojekten auf drei Betrachtungspunkte aufgeteilt: historisch gegliedert die Verhältnisse der Hochschulen und vergleichbarere Einrichtungen Europas bis 1800 sowie im 19. und 20. Jahrhundert und thematisch herausgenommen die Wissenschaftsfinanzierung vom 17. Jahrhundert ab bis zur Einführung des Euro. Diese drei Abschnitte können schwer miteinander verglichen werden, denn sowohl die Überlieferung als auch die Fragestellung an die erhaltenen Quellen ist stark geprägt von deren Quantität und Qualität, die ' wie zu erwarten ' kein überschaubares Bild bietet. So gibt es für einzelne Universitäten etwa bei deren Gründung noch gut dokumentierte Aufzeichnungen der Gehälter und laufenden Kosten, bei anderen hat Krieg viele der für die Forschung notwendigen Unterlagen vernichtet. So bleibt vor allem der erste Teil des Buches stark auf einzelne Hochschulen oder gar einzelne Fakultäten beschränkt. Dafür aber bietet sich ein Blick auf viele Gebiete Europas: Italien, Frankreich, England, Irland und das Deutsche Reich sind in die Darstellung eingegangen. Im zweiten Teil geht der Blick vermehrt auf Tendenzen überuniversitärer Prägung: wirtschaftliche Hintergründe, soziale Aspekte der Bildungsförderung usw. Zudem wird das Augenmerk auf die Hochschulen der nordischen Länder, die Schweiz und Russland gelenkt. Der dritte, zugleich der kürzeste Abschnitt geht auf das deutsche Akademiewesen, die französisch-königlichen Stiftungen und die Industrieförderung ein. Sehr vorbildlich hat der Herausgeber Schwinges das von ihm nicht lösbare Manko der Unvergleichbarkeit der zur Verfügung stehenden Quellen gelöst: Jedem Abschnitt steht ein zusammenfassender Kommentar zu Ende, der noch einmal die Hauptlinien der Einzelbeiträge unter ein Hauptmotto stellt und erläuternd zusammenfasst.
Die Entwicklung der von außen finanzierten Hochschule durch deren frühe Form der 'collecta', die im 12. bis 16. Jahrhundert in Nord- wie Süditalien üblich war, indem Studenten von Kommilitonen Geld eintrieben, um ihre Dozenten direkt zu bezahlen, nimmt proportional zu deren Attraktivität rasant an Fahrt auf. Für Städte und Fürsten werden die Ausbildungsstätten zunehmend lukrativ als Sammelpunkt einer gebildeten oder bildungssuchenden Schicht, die Wohlhabende anlockt. Zugleich kann auf die Qualitäten der an der Hochschule praktizierenden Dozenten zurückgegriffen werden, so z. B. Ärzte oder Juristen, die beratend und tatkräftig in ihrem Lehr- und Wohnbereich aktiv werden, was die Finanzierung von Universität und Lehrkörper sinnvoll erscheinen lässt, wie Andrea Romano nachzeichnet.

Die Reformationszeit ist auch bei der Entwicklung der Universitäten ein Wendepunkt gewesen, da besonders in Deutschland die bis dato gängige Vermögensfinanzierung über städtische, kirchliche oder fürstliche Stiftungen nach und nach an den Staatshaushalt gekoppelt wurde (allerdings hielten sich diese früheren Formen der Finanzierung teilweise noch bis in das 20. Jahrhundert hinein). Wichtigster Posten war und blieb das Personal, das ab der Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals eine reguläre und dauerhafte Besoldung erwirken konnte, wie das Beispiel Göttingen zeigt. Das 19. Jahrhundert brachte eine Verteuerung des Hochschulbetriebs mit sich, da kostenintensive Laborräume, Kliniken und Bibliotheken angeschafft werden mussten, die nun für Grundlagen- und angewandte Forschung benötigt wurden.

Andere Finanzierungsmodelle finden sich z. B. in Frankreich, wie der Beitrag von Marie-Jeanne Tits-Dieuaide zeigt. Hier war es das Bestreben des Königs, über 'salaires' schon früh eine dauerhafte staatliche Vergütung für Akademie-Mitglieder bereitzustellen. Im Ergebnis kann man heute feststellen, dass sich dadurch ein hohes Maß an Professionalität erzielen ließ, das die landesherrlich organisierten deutschen Universitäten nicht erreichten.
In England stachen und stechen zwei Universitätsmodelle ' Oxford und Cambridge ' bis heute hervor, die dank großzügiger Stiftungen bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein ihre Ausbildung autark vom Staat gestalten konnten, so im Beitrag von J. P. D. Dunbabin nachzulesen. Ihnen stehen heute die Polytechnics oder Open Universities gegenüber, die mit privaten und staatlichen Mitteln gegründet, heute Konkurrenten um die knapper gewordenen nicht-staatlichen Gelder geworden sind.

Der vorliegende Band ist einerseits ein wichtiger Bestandteil in der Darstellung einer Bildungsgeschichte Deutschlands und Europas (und wird in neuerer Fachliteratur bereits häufig zitiert). Andererseits wirft er aber auch viele Fragen an die zukünftige Gestaltung der Universität auf und formuliert dazu klare Forderungen: Als Beispiel mag angeführt sein, welche Leistungsindikatoren zur Vergabe von Mitteln an Universitäten zulässig sind und wer darüber bestimmen soll. Es bleibt zu klären, ob die Forcierung von Top-Universitäten zulasten einer breit aufgestellten Hochschullandschaft auch ein Mehr an Erkenntnis hervorbringt. Zu entscheiden bleibt, welche Bedeutung Marktkriterien bei der Ausrichtung und Ausstattung von Universitäten zugebilligt wird. Transparenz und Stabilität bei der Finanzierung von Hochschulen und Akademien ist ebenso wichtig wie die ausgewogene Berücksichtigung theoretischer und praktischer Forschung.

Eine historische und systematische Untersuchung der Finanzierung von Universität und Wissenschaft sollte unbedingt fortgesetzt werden. Eine stärker vergleichende Analyse nach Disziplinen und Gebieten wird sicher weitere Erkenntnisse bringen. Dabei gilt es zu beachten, dass die (vorgesehene) Zuweisung von Geldern alleine noch nicht eine Finanzierungsgeschichte ausmacht. Weitere Zuwendungen, zweckgebundene Mittel, aber auch Ausstattung mit Büchern, Geräten und Räumen sind hierbei notwendig zu hinterfragende Positionen. Auf derartige Untersuchungsergebnisse gestützt, fällt es vielleicht einigen Universitäten leichter, sich in den kommenden Jahren der restriktiven Kürzungspolitik ihrer Landesregierungen zu entledigen. Es wäre zu wünschen, die gesammelten Beiträge in 'Finanzierung von Universität und Wissenschaft in Vergangenheit und Gegenwart' in jedem Büro eines Bildungsverantwortlichen stehen zu sehen, in der Hoffnung, wenigstens die Kommentare wären gelesen.