Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680-1780

Seit Jahrzehnten hält eine Diskussion um den Wert, die Aufgaben und die Ausgestaltung deutscher Universitäten an. Ergebnisse lassen sich an Studienstrukturreformen, Mittelkürzungen, Einstellungen von Studiengängen und Zentrenbildung in der gesamten Republik ablesen. Eliteuniversitäten sowie B.A.- und Masterstudiengänge sind der derzeitige Stand dieser Entwicklung, eine Fortsetzung davon ist garantiert.
Überraschend ist, dass aus den Hochschulen selbst zu ihrer Zukunft erschreckend wenig beigetragen worden ist. Sehr häufig haben sich zwar lokal begrenzt Widerstände gebildet, wenn es um die Zuteilung von Haushaltsmitteln ging, ein universitäres Gesamtkonzept haben die Lehranstalten alleine oder im Verbund nicht vorgelegt, das breite, öffentlich Aufmerksamkeit erregt hätte.
Dabei kann die deutsche Hochschullandschaft, ihr Wirken in Europa und in der Welt, ihre Struktur und ihr Selbstverständnis am besten aus ihrer Geschichte und ihren wissenschaftlichen Fragestellungen heraus abgelesen werden. Gerade Studenten, Dozenten und Professoren haben sich sicher gewünscht, Entscheidungsträger hätten dies verstärkt getan.
Diese mögen einwenden, eine Hochschulgeschichte läge für die wenigsten Universitäten vor ' nicht aber für die Universität Leipzig, für die eine fundierte, sprachlich angenehm lesbar verfasste und umfassend kulturhistorisch erläuternde Publikation eingesehen werden kann. Hanspeter Marti und Detlef Döring haben neun weitere Autoren gewinnen können, die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld im 17. und 18. Jahrhundert zu skizzieren.
Zwei Momente überraschen in der Ausgabe: 1. Der Band über eine deutsche Universität ist in einem Schweizer Verlag erschienen; und 2. Die Beiträge sind nicht chronologisch angeordnet. Der erste Punkt, so könnte man meinen, hängt vielleicht mit der Ausstrahlung der 600 Jahre alten Alma mater Lipsiensis zusammen, die immer zu den am besten besuchtesten Universitäten des Deutschen Reiches zählte. Oder vielleicht auch mit der weit über Deutschland hinausreichenden Aufklärung, die eng mit Leipzig verbunden ist. Der Grund ist jedoch viel profaner, denn die vorliegende Aufsatzsammlung ist das Ergebnis einer Tagung der (privat gegründeten) Arbeitsstelle für kulturwissenschaftliche Forschungen in Engi (Kanton Glarus, Schweiz), von wo der Weg in die Reihe 'Texte und Studien' beim Schwabe Verlag ein kurzer war.
Die Anordnung der Beiträge folgt dem Makro-Mikro-Prinzip, von umfassenderen Darstellungen hin zu Einzelbetrachtungen verschiedener Autoren oder Werke. Die beiden Herausgeber siedeln den Band in ihren einführenden Artikeln in der Frühaufklärung an und besprechen anhand Leipziger philosophischer Dissertationen das Bild des Gelehrten im angegebenen Zeitraum. Über die Universitätsstruktur und einige publizistische Arbeiten geht der Band auf die theologischen, klassisch-philologischen, medizinhistorischen und juristischen Diskussionen auf Grundlage ausgewählter und im Forschungsfokus der Verfasser liegender Schriften oder Ereignisse ein.
Für die Universitätsgeschichte ' über Leipzig hinaus ' ist ein wichtiger Sammelband entstanden, der durch intensive Quellenrecherche und ' auswertung erstmals ein differenziertes Gesamtbild, ausgehend von einer der einflussreichsten Hochschulen des deutschsprachigen Raumes, der Zeit zwischen Barock bis zur Aufklärung zeichnen kann.