Geschichte der Langobarden
Gesellschaft, Kultur, Alltagsleben

Wiederum liegt aus dem Theiss-Verlag ein anschaulich aufbereitetes Kapitel der Frühgeschichte vor, diesmal zum Thema 'Langobarden', also jenes Germanenstammes, der sozusagen das Schlußlicht der Völkerwanderung bildet. Die Autorin Karin Priester, Professorin für Geschichte und politische Soziologie in Münster, schildert Gesellschaft und Kultur der Langobarden, von ihren Ursprüngen an der unteren Elbe im heutigen Hamburger Raum über den Zug nach Niederösterreich und Ungarn bis zum Ende des langobardischen Reiches in Italien im Jahre 774. Als Historikerin stützt sie sich dabei im Wesentlichen auf die Schriften des langobardischen Geschichtsschreibers Paulus Diaconus, der vor über 1200 Jahren eine Chronik seines Volkes in lateinischer Sprache verfaßte. Ihre Ausführungen lesen sich durchaus spannend, es finden sich auch einige Abbildungen und Karten ' dennoch könnten die Leser eine Tabelle zur Chronologie oder Zeitleiste sicher gut gebrauchen, um sich in der ereignisreichen Langobardengeschichte besser zurechtzufinden. Gerade in den ersten vier Kapiteln strömt die wechselvolle und komplizierte langobardische Geschichte auf die Leser ein, leider ohne viele Illustrationen zur Verdeutlichung. Die Autorin weist schon in der Einleitung darauf hin, nur die Ergebnisse mediävistischer bzw. archäologischer Debatten und nicht die einzelnen Streitpunkte selbst einem breiten Publikum zu präsentieren. Leider vermißt die Archäologin aber dann doch den erwarteten Beitrag der Archäologie zur Erforschung langobardischer Geschichte, sind doch gerade die ersten Jahrhunderte der Stammesgeschichte nur schwach durch Schriftquellen belegt. Die Autorin handelt gerade diese spannende Zeit auf wenigen Seiten ab. Das ist schon bedauerlich, zumal es nicht gerade viele Bücher zum Thema Archäologie der Langobarden im deutschsprachigen Raum gibt und das Standardwerk 'Die Langobarden' von Wilfried Menghin nun auch schon gut zwanzig Jahre alt ist.
Der zweite Teil des Buches, ab dem fünften Kapitel, liest sich dann viel flüssiger, werden dort doch Themen behandelt, die weg von der Geschichtsschreibung die Kultur der Langobarden beleuchten, wie etwa die Wirtschaft in Stadt und Land, das Leben der Frauen, Religion, Sprache und Kunst. Gerade die Ausführungen zum Weiterleben der langobardischen Sprache bergen so manche Überraschung.
Die Kernaussage der Autorin lautet, daß es unter den Langobarden einen ökonomischen und gesellschaftlichen Aufstieg in Italien gegeben habe. Dies mag nicht das erste sein, das einem bei ihrer wechselvollen und überaus blutigen Geschichte in den Sinn kommt, aber es hat angesichts der kulturellen Hinterlassenschaften dieses vergleichsweise kleinen germanischen Stammes durchaus seine Berechtigung. Außerdem werden die Langobarden heute gerade in Italien nicht mehr als Barbaren, sondern als Wegbereiter des mittelalterlichen, christlichen Europas in einer Zeit des Umbruchs zwischen Antike und frühem Mittelalter gesehen. Und das kann man sicher nach der Lektüre dieses Buches bestätigen.