L'architecture romaine du d'ebut du IIIe siècle av. J.-C. à la fin du haut-empire. 2
Maisons, palais, villas et tombeaux

Pierre Gros, ausgewiesener Kenner römischer Architektur, ersetzt mit seiner zweibändigen L'architecture romaine die beiden älteren Standardwerke Luigi Crema, L'architettura romana von 1959 und Axel Boethius/J.B. Ward-Perkins, Etruscan and Roman Architecture von 1970. Die Archäologen haben in den letzten Jahrzehnten nicht geschlafen, und so galt es, eine Fülle neuen Materials einzubeziehen. Das macht die Gliederung des Stoffes nicht einfach. Es sind Entwicklungslinien aufzuzeigen, Epochenspezifisches zu betonen und zugleich Bautypen und lokale Unterschiede herauszustellen. In dem jetzt vorliegenden zweiten Band Maisons, palais, villas et tombeaux hat Gros vier Teile angeordnet, die nicht der bewährten und lexikalischen Grundordnung von Crema entsprechen, denn wir finden ein typologisches Prinzip: 'Die städtische Wohnung', 'Die Villa', 'Die Grabmonumente' und ein Kapitel 'Zusammenfassende Synthesen'.
Wenn das am Anfang zu erwartende Kapitel über die für die Kaiserzeit charakteristischen Baustoffe und Techniken (opus caementicium, gebrannte Ziegel, Marmorverkleidung etc.) fehlt, so wohl deshalb, weil Gros diesem Thema in Zusammenhang mit dem Wohnungsbau keine besondere Bedeutung beimißt. Aber die stadtrömischen Mietskasernen und auch die phantastischen Wölbarchitekturen der Tiberiusvilla auf Capri oder der Hadriansvilla in Tivoli wären ohne diese Techniken ungebaut geblieben. Gros' großes Thema ist das hellenistische Erbe. Zu recht natürlich, denn seit dem zweiten Jahrhundert v.Chr. haben die Römer Griechenland ausgebeutet und sich die griechische Kultur zum Vorbild genommen. Das alte etruskisch-römische Atrium-Haus und das griechische Peristyl-Haus finden sich in den Vesuv-Städten zu einer Einheit verschmolzen. Gros führt viele neu interpretierte Beispiele der großen Häuser in Pompeji an und erwähnt dabei auch den vergeblichen (wenn nicht gar unsinnigen) Versuch von A. Rumpf, im Maskenhaus auf Delos Vitruvs 'griechisches Haus' zu erkennen. Daß der Fernblick ins Grüne 'maxime viridia prospicientes', den Vitruv 6,3,10 beim 'kyzikenischem Haus' ermöglicht, von ihm erfunden sei, halte ich allerdings für ebenso falsch wie im Zusammenhang damit den Hinweis auf Haus 1 in Monte lato auf Sizilien. Vitruv meint Grünanlagen im großen Peristyl oder Grotten wie etwa im Haus des Hermes in Delos.
Im reichen Überblick führt Gros die höchst eindrucksvollen Hanghäuser der späten Kaiserzeit in Ephesos vor, die klar gegliederten Großhäuser in Apamea am Orontes (Syrien) und unterscheidet davon die großen Villen und suburbanen Häuser, wie etwa die Mysterienvilla in Pompeji, die nebenbei auch ein landwirtschaftlicher Betrieb war. Kaiserliche Paläste gehen auf hellenistische Vorbilder wie die Paläste Herodes' des Großen in Palästina zurück. Der gut erhaltene Palast Diokletians in Spalato fehlt, wie überhaupt die späte Kaiserzeit wenig Berücksichtigung fand. Beispiele der Wohnkultur auch entfernter Provinzen sind im Buch vertreten, so aus Gallien, Germanien und Britannien, denn aus dem kühlen Norden gibt es besonders viele neue Forschungsergebnisse.
Im letzten, Synthesen genannten Kapitel hätte G. von Kaschnitz-Weinberg über die Struktur der römischen Baukunst gehandelt, H. Kähler über die phantastische Kurven- und Wölbkunst der Römer, aber der Klassizist Gros gibt einen guten Überblick über die Entwicklung der korinthischen Ordnung bis in die mittlere Kaiserzeit, erläutert die komposite Ordnung und schließt mit einem Blick auf die Arbeit und Arbeitsweise der Architekten. Von Innenausstattung, von Wandmalerei und Mosaiken ist hier und da die Rede, Möbel oder etwa die bei Vitruv mehrfach genannten Bibliotheken in Privathäusern kommen nicht vor. Das Buch ist ohne jeden Zweifel eine wichtige Zusammenfassung des umfangreichen Materials und wird in allen Fachbibliotheken zu finden sein.