Lexikon der übersinnlichen Phänomene

Zauberer sind die gefährlichsten Gegner der Esoterik. Sie, viel besser als skeptische, aber täuschungsanfällige Wissenschaftler, kennen die Tricks und die Methoden von Illusionserzeugungen beim naiven Publikum. James Randi, ein weltberühmter Zauberkünstler, hat sich auch als Schriftsteller sowie als Aufklärer vielfältiger Formen esoterischen Humbugs einen hervorragenden Namen gemacht. Sein neues Lexikon der Kritik übernatürlicher Erscheinungen liest sich wie eine Anthologie menschlicher Leichtgläubigkeit. Das hohe Maß an Kritiklosigkeit vieler Menschen gegenüber spirituellen, magischen und okkulten Phänomenen muß wohl, wenn man dieses Buch Revue passieren läßt, als anthropologische Konstante angesehen werden. Randis Schreibstil ist prägnant, treffend und von erfrischendem Humor. Manche okkulten Illusionen sind aber auch derart absurd, daß man manchmal den Eindruck erhält, sie seien zur Unterhaltung des Publikums erfunden worden.
Wenngleich viele Chimären, die Randi aufdeckt, nur Skurrilitätscharakter besitzen, so gibt es doch etliche, die bis heute weltanschauliche Bedeutung besitzen. Randi schont nämlich etablierte und heute noch voll aktive ideologische Richtungen wie Anthroposophie, Theosophie nicht und deckt auch die magischen Bestandteile der Bibel bis zu deren Verdammung von Zauberinnen (2. Mose 22, 18) auf.
Beeindruckend an den Analysen Randis ist die hohe Rate an entlarvten Schwindelfällen. Im Betrug manifestiert sich ganz offen die emotionale Wunschsituation der Menschen, die es Täuschungsabsichten leicht macht, die Klienten zu hintergehen; die übermächtige Sehnsucht nach supranaturalen spirituellen Erfahrungen leistet raffinierten Gaunern geradezu Vorschub, diese Leichtgläubigkeit kommerziell auszubeuten. Der Glaube an die Macht des Spirituellen ist allerdings nicht auf kleine esoterische Splittergruppen beschränkt, sondern auch in den monotheistischen Hochreligionen wimmelt es von Engeln, Teufeln und Dämonen, an denen diese hartnäckig festhalten, wie die bis heute in der katholischen Kirche geübte Praxis des Exorzismus beweist. Damit wird auch wieder bestätigt, daß der Kern der Religion magischer Natur ist, obwohl die Kirchen heute dies gerne in den Hintergrund schieben möchten. Kritik der Magie bedeutet deshalb in jedem Fall auch Religionskritik.
Hohen Aufklärungswert haben auch die Artikel über Gesundbeten sowie Geistheilen: Zahllos sind die Tricks der philippinischen Schwindelpraktiker, die existenzbedrohten Menschen zu allem Überfluß noch das Geld aus der Tasche ziehen. Die Ausbeutung von Personen mit lebensbedrohlichen Krankheiten gehört wohl zu den widerlichsten Zügen der esoterischen Szene.
Zu denken geben sollte auch allen Bürgern, wie stark ihre regierenden Häupter vom Glauben an Übernatürliches bewegt werden. Der Magier Erik Jan Hanussen war Gewährsmann Adolf Hitlers, und das amerikanische Präsidentenpaar Reagan stimmte alle Termine mit seinem Hofastrologen ab. Letzteres aus dem amerikanischen Raum verwundert nicht, wenn man hört, daß man an der John F. Kennedy University in Kalifornien sogar den Master of Science in Parapsychologie erwerben kann.
Jeder, der noch einige Unsicherheiten verspürt, ob es zwischen Himmel und Erde Dinge gibt, von der sich unsere gegenwärtige Schulweisheit nichts träumen läßt, und der, sei es über Nostradamus, Rosenkreuzer, Rutengehen und andere Phänomene, wirklich aufgeklärt und nicht nur ohne jede gewichtende Evaluation informiert werden möchte, sei das Lexikon von Randi empfohlen. Grüblerisch veranlagten Lesern wird sich bei der Lektüre dieser geballten Ladung von intellektuellem Unfug die Frage stellen: Wenn diese Masse von Illusionen eine statistisch repräsentative Stichprobe der Leistungen des menschlichen Geistes darstellt, kann man dann noch davon sprechen, daß es auf der Erde intelligentes Leben gibt?
Vielleicht löst sich auf diese Weise auch ein drängendes Problem der Exobiologie, nämlich warum die ETC sich bisher niemals auf dem Planeten Terra haben blicken lassen: Sie waren zwar da, sind aber schleunigst umgedreht.